Dunkle Häfen - Band 2
zum Beispiel Talamara so besonders gemacht hatte. Ramis ärgerte sich nun und sie wollte nicht länger hier herumstehen und der unsympathischen Frau dabei zusehen, wie sie ihre Verehrer um den Finger wickelte.
"Ich bin müde!" , verkündete sie.
Er achtete nicht auf sie.
"Könnt Ihr mir nicht mein Zimmer zeigen, damit ich mich zurückziehen kann?" Das war noch lauter, als sie es beabsichtigt hatte und einige Umstehende drehten sich nach ihr um.
Immerhin hatte sie jetzt zumindest das Ohr des Marquis.
"Merde!" , fluchte er ungehalten, entschuldigte sich allerdings sofort.
Französische Flüche waren das einzige, was Ramis von dieser Sprache konnte, deshalb verstand sie ihn sogar. Oh ja, über die Jahre mit Seeräubern aus vielen Ländern hatte sie unzählige Flüche und Ausdrücke gelernt, die meisten um einiges weniger harmlos als diejenigen, die der junge Marquis vermutlich kannte.
"Oh pardon, Madame, ich wollte das nicht. Natürlich werde ich Euch Euer Zimmer zeigen. Doch wir müssen uns erst an den Verwalter wenden. Wollt Ihr hier warten, während ich das erledige?"
Ramis s chüttelte den Kopf. Er war der Einzige hier, den sie überhaupt kannte. Im Moment schien er jedoch etwas verärgert über sie zu sein, weil sie ihn so drängte.
Hatte er sich das anders vorgestellt? fragte Ramis sich ein bisschen boshaft, denn ihr schwante allmählich, dass der Marquis unter anderem hoffte, durch sie die Aufmerksamkeit dieser Frau zu erregen.
"Es ist übrigens ein großes Privileg für jeden französischen Adlige n, hier in Versailles zu wohnen", teilte er ihr beiläufig mit, wohl, um ihr in Erinnerung zu rufen, wie viel sie ihm verdankte.
Die Betonung lag leicht auf dem 'französisch'. Für mich ist das kein Glück, dachte Ramis bei sich. Ich wäre viel lieber wieder auf der Fate .
"Ich glaube, der König interessiert sich für Euch, wenigstens ein bisschen. Immerhin wollte er Eure Geschichte hören."
"Und, ist das soo o besonders? Der König spricht täglich mit tausend Leuten."
"Mir scheint, Ihr habt keine allzu hohe Meinung von Königen, Madame. Doch, es ist schon etwas Besonderes. Glaubt Ihr, er hört sich von jedem die Lebensgeschichte an? Es werden ja nicht jeden Tag Engländerinnen aus dem Wasser gefischt und Versailles gebracht!" , erklärte er stolz. "Außerdem war auch Madame der Maintenon sehr aufmerksam. Das kann Gutes wie Schlechtes bedeuten. Sie zeigt sich vielen gegenüber sehr großzügig und sie hat Einfluss beim König. Ihr werdet sehen, dieser Hof kann Euch alles bieten."
Alles, außer Freude? Ramis schlief schon halb, als sich der Marquis endlich mit dem zuständigen Verwalter in Verbindung setzte.
Wie konnte so etwas Banales so umständlich sein? wälzte es sich nach mehreren Zimmern und verschiedenen Ansprechpartnern durch ihre Gedanken. Ihre Augen sanken fast herunter vor Müdigkeit. Dann musste der Verwalter erst einmal nachsehen gehen, ob ein Bett frei war, was wieder eine Ewigkeit dauerte. Als er wieder auftauchte, diskutierte er eine Weile mit dem Marquis, bis er sie durch etliche Gänge führte. Die Tiere und Menschen auf den Gemälden an der Wand schienen sich zu bewegen, als Ramis vorüberging und vor ihren überreizten Augen flimmerten die Muster auf dem Fußboden. Überall schimmerte das Gold düster in dem schwachen Licht.
Hier ist viel Platz für ruhelose Geister, dachte sie dumpf. Wenn kein Mensch mehr hier wandelt...
Einmal knickte sie mit ihrem engen Schuh um und verstauchte sich prompt den Knöchel. Den weiteren Weg humpelte sie leicht hinter den anderen her, unterließ es aber, jemandem von ihren Schmerzen zu erzählen. Das Gewirr der Korridore schien nur gebaut worden zu sein, um zu verwirren. Der Verwalter blieb schließlich vor einer Tür stehen und zog einen Schlüssel hervor. Bevor er das Schloss herumdrehte, klopfte er an. War das wieder nur ein weiteres Verwaltungszimmer? Nein, es war ein Wohnraum. Nicht übermäßig aufwändig gestaltet und von mittlerer Größe. Eine dünne Trennwand teilte den Raum in zwei Hälften mit je einem Bett, neben dem ein Schrank stand. Es gab auch noch zwei Frisierkommoden und ein paar Stühle, sonst war alles nur einmal vorhanden. Eine Liege aus Holz und rotem Samt stand in einer Ecke. So sollte Ramis hier also nicht einmal alleine wohnen. Aber was hatte sie denn erwartet? Prächtige Gemächer vielleicht, für eine Fremde? Ramis versuchte, ihre Enttäuschung nicht zu zeigen. Es roch nach Blumen, vor allem nach Veilchen. Gegenüber
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