Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
war.«
»Kokolores.«
Um ein Haar hätte Mitch vor Erstaunen geblinzelt. Er glaubte
nicht, dass er schon einmal gehört hatte, wie jemand diesen Begriff in einem normalen Gespräch benutzte.
»Geister. Man sollte meinen, dass ein Mann Ihres Bildungsstandes vernünftiger wäre.«
»Wie die Skandale, Miss Harper, so geben auch Geister einer Familienchronik die richtige Würze. Und die Legende von der Harper-Braut ist in dieser Gegend sehr bekannt. In einer detaillierten Familienchronik darf sie keinesfalls fehlen. Es wäre verwunderlicher, wenn ein so altes und geschichtsträchtiges Anwesen wie Harper House nicht mit einer Spukgeschichte aufwarten könnte. Sie müssen doch mit der Legende aufgewachsen sein.«
»Ich kenne die Geschichte, aber selbst als Kind war ich verständig genug, solchen Unsinn nicht zu glauben. Manche finden so etwas romantisch; ich nicht. Wenn Sie Ihre Arbeit gut machen oder erfahren sind, werden Sie sicher herausfinden, dass es keine Harper-Braut gegeben hat, die als junge Frau in jenem Haus gestorben ist – so heißt es ja von diesem Geist. Zumindest gab es nichts dergleichen, seit diese Gerüchte aufkamen.«
»Und das wäre wann gewesen?«
»Zu Lebzeiten meines Großvaters, soviel ich weiß. Ihre eigenen Unterlagen« – Clarise Harper klopfte auf den Hefter – »widerlegen derartigen Unsinn. Meine Großmutter hat ein gesegnetes Alter erreicht, ebenso wie meine Mutter. Meine Tanten sind ebenfalls nicht jung gestorben. Meine Urgroßmutter und all ihre Kinder, die die ersten fünf Jahre überlebt haben, sind weit älter als vierzig geworden.«
»Ich habe Theorien gehört, dass es sich bei dem Geist um eine entferntere Verwandte handelt, möglicherweise sogar eine Besucherin oder Bedienstete.«
»Beides unsinnig.«
Mitch setzte ein freundliches Lächeln auf und nickte, als ob er ihr zustimmte. »Trotzdem ist dies Teil der Überlieferungen.
Ihres Wissens nach hat also keiner aus Ihrer Familie die legendäre Braut tatsächlich gesehen?«
»Ganz gewiss nicht.«
»Schade, das wäre ein interessantes Kapitel der Familienchronik geworden. Ich hatte gehofft, jemanden zu finden, der mir dazu noch etwas erzählen kann oder der schriftliche Aufzeichnungen, ein Tagebuch darüber besitzt. A propos Tagebücher: Auch unter ganz bodenständigen Gesichtspunkten hoffe ich immer noch, einige Exemplare aufzutreiben, um die Familiengeschichte persönlicher zu gestalten. Besitzen Sie Tagebücher Ihrer Mutter, Ihres Vaters oder sonstiger Vorfahren?«
»Nein.«
Aus dem Augenwinkel sah Mitch, wie Jane den Mund öffnete, als ob sie etwas sagen wollte, um ihn jedoch rasch wieder zu schließen.
»Ich hoffe, Sie gestatten mir, Sie einmal ausführlicher zu interviewen, über nähere Einzelheiten und jegliche Anekdoten, die Sie mir erzählen möchten. Und ich hoffe, Sie sind bereit, mir Fotografien, gegebenenfalls auch Abzüge auf meine Kosten zur Verfügung zu stellen, die ich in das Buch aufnehmen kann.«
»Ich denke darüber nach, sehr ernsthaft, und melde mich bei Ihnen, wenn ich meine Entscheidung getroffen habe.«
»Vielen Dank. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie für mich Zeit hatten.« Mitch erhob sich und streckte Miss Harper die Hand entgegen. »Ihre Familie interessiert mich sehr, und es war mir ein Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten.«
»Auf Wiedersehen, Mr. Carnagie. Jane, bring den Herrn zur Tür.«
Bevor er hinausging, reichte Mitch auch Jane die Hand und sah ihr lächelnd direkt in die Augen. »Es war nett, Sie kennen zu lernen, Miss Paulson.«
Er ging zum Fahrstuhl und schaukelte auf den Absätzen auf und ab, während er darauf wartete, dass die Türen aufgingen.
Die alte Dame wusste etwas – etwas, das sie nicht verraten wollte. Und das brave kleine Hündchen kannte dieses Geheimnis.
In denkbar guter Stimmung schlenderte Roz durch ihr Wäldchen nach Hause. Nun würde die Frühjahrssaison bald losgehen. Sie würde mit einem Paukenschlag beginnen und lange, auch körperlich schwere Arbeit mit sich bringen – und sie würde jede Minute davon genießen.
Die neue Blumenerde verkaufte sich bereits ganz gut, und sobald die Pflanzzeit begonnen hatte, würden die Fünfundzwanzig-Pfund-Säcke weggehen wie warme Semmeln.
Das hatte sie einfach im Gefühl.
Ehrlich gesagt, musste sie zugeben, dass sie alles im Gefühl hatte. Das Summen in der Luft, das vom Frühling kündete, die hellen Sonnenstrahlen, die durch die Zweige fielen, das lockere, geschmeidige Spiel ihrer eigenen
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