Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
Erde um eine Pflanze festdrückt. Wenn ich an sie denke, erinnere ich mich am besten an die Gärten von Harper House.«
»Elizabeth McKinnon Harper, die Frau von Reginald Harper junior.«
»Sie haben ein gutes Gedächtnis.«
»Ich habe einige der Listen überflogen. Was war sie für ein Mensch?«
Die Frage stimmte Roz weich und ein wenig sentimental. »Sehr lieb und geduldig, wenn man sie nicht reizte. Dann war sie Furcht erregend. Sie wurde Lizzie oder Lizzibeth genannt, trug immer Männerhosen, ein altes blaues Hemd und einen komischen Strohhut. In den Südstaaten tragen Frauen ab einem bestimmten Alter bei der Gartenarbeit immer komische Strohhüte. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Sie roch nach Eukalyptus und Flohkraut, aus denen sie ein Insektenschutzmittel herstellte. Ihr Rezept dafür kann ich heute noch verwenden.«
Roz nahm einen weiteren Topf zur Hand. »Ich vermisse sie immer noch, und dabei ist sie jetzt schon fast dreißig Jahre tot. Sie ist an einem heißen Sommertag im Juli in ihrer Hollywoodschaukel eingeschlafen. Sie hatte im Garten verwelkte Blüten abgezupft und sich zum Ausruhen ein wenig hingesetzt. Sie ist nie wieder aufgewacht. Ich finde, das ist ein sehr schöner Tod.«
»Wie alt war sie?«
»Na ja, sie hat behauptet, sie wäre sechsundsiebzig gewesen, aber in Wirklichkeit, der Geburtsurkunde nach, war sie vierundachtzig. Mein Papa war ein später Nachzügler für sie, so wie ich für ihn. Mit dieser Tradition der Harpers habe ich gebrochen, da ich meine Kinder sehr jung bekommen habe.«
»Hat Sie jemals mit Ihnen über die Harper-Braut gesprochen?«
»O ja.« Während Roz erzählte, fuhr sie mit dem Umpflanzen fort. »Natürlich war sie eine gebürtige McKinnon und ist nicht in unserem Haus aufgewachsen. Aber sie hat behauptet, sie hätte die Braut gesehen, als sie dort hingezogen ist, beim Tod meines Großvaters. Mein Großvater Harper ist in Harper House aufgewachsen, klar, und wenn wir Amelia zeitlich richtig eingeordnet haben, ist er um den Zeitpunkt ihres Todes herum noch ein Baby gewesen. Doch er ist gestorben, als ich ungefähr acht war, und ich kann mich nicht erinnern, dass er je von ihr gesprochen hat.«
»Wie steht es mit Ihren Eltern oder anderen Verwandten?«
»Ist das ein Arbeitstreffen, Herr Professor?«
»Entschuldigen Sie.«
»Nein, mir macht das nichts aus.« Roz etikettierte die gerade umgetopfte Pflanze und griff zur nächsten. »Mein Vater hat nie viel gesagt, wenn ich es mir recht überlege. Vielleicht ist das typisch für die Harper-Männer oder für Männer im Allgemeinen. Meine Mutter war eine theatralische Frau; sie sonnte sich in der Illusion, dass ihr Leben wahnsinnig aufregend wäre. Sie behauptete, sie hätte die Braut häufig gesehen, und legte großen Wert darauf. Andererseits war sie ständig wegen irgendetwas gestresst.«
»Hat sie oder Ihre Großmutter ein Tagebuch geführt?«
»Ja, alle beide. Noch eine gute alte Tradition, die ich nicht weitergeführt habe. Meine Großmutter ist ins Gästehaus gezogen, als mein Vater heiratete und seine Braut mit ins Haus
brachte. Nach ihrem Tod hat er ihre Sachen ausgemistet. Ich weiß noch, dass ich ihn nach ihren Tagebüchern gefragt habe, aber er hat gesagt, sie seien verschwunden. Ich weiß nicht, was daraus geworden ist. Das von meiner Mutter besitze ich dagegen. Sie dürfen es gerne lesen, aber ich bezweifle, dass Sie darin etwas Brauchbares finden.«
»Das spielt keine Rolle. Was ist mit Tanten, Onkeln, Cousins, Cousinen?«
»Oh, davon gibt es Unmengen. Die Schwester meiner Mutter, die vor ein paar Jahren irgendeinen britischen Lord oder Grafen geheiratet hat, in dritter Ehe. Sie lebt in Sussex, und wir sehen uns nicht sehr häufig. Aus ihren ersten beiden Ehen hat sie Kinder, die ebenfalls Kinder haben. Mein Vater war ein Einzelkind. Doch sein Vater hatte vier Schwestern, alle älter als er – Reginalds Töchter.«
»Ja, ihre Namen stehen auf meiner Liste.«
»An sie kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Jede von ihnen hatte Kinder. Warten Sie, da sind mein Onkel Frank, meine Tante Esther – beide schon seit Jahren tot – und natürlich ihre Kinder. Ja, Lucerne, Bobby und Miranda. Bobby ist im Zweiten Weltkrieg gefallen. Lucerne und Miranda sind inzwischen ebenfalls beide verstorben. Aber sie alle hatten Kinder, von denen wiederum einige Kinder haben. Dann sind da noch Owen, Yancy, hmm … und Marylou. Marylou lebt noch, unten in Biloxi. Sie leidet allerdings an Altersdemenz und
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