Dunkle Sehnsucht des Verlangens
Sie hätte wissen müssen, dass
jemand auf dem Gang vor ihrer Tür stand. Nie zuvor war ihr die Anwesenheit der
anderen entgangen. Desari stand auf und strich das Seidenkleid glatt, das sich
an jede ihrer weiblichen Rundungen schmiegte. Der seitliche Schlitz reichte ihr
beinahe bis zur Hüfte. Der weiße Stoff des Kleides war über und über mit roten
Rosen bedruckt. Das seidige schwarze Haar fiel ihr bis über die Hüften hinunter
und schien förmlich ein Eigenleben zu besitzen. Zum ersten Mal in ihrem Leben
war es Desari wichtig, schön auszusehen.
»Desari! Beeil dich!« Wieder klopfte
Barack ungeduldig an die Tür. »Die Leute werden schon unruhig.«
Desari atmete tief durch und
trat auf den Flur hinaus. Sofort legte Barack ihr den Arm um die Schultern.
»Was hat dich denn da drin aufgehalten?« Er blickte sich um und beugte sich
dann zu Desari hinunter. »Du hast doch keine Angst, oder? Wir alle sind in
höchster Alarmbereitschaft, sogar die Katzen. Die Attentäter werden keine
zweite Chance bekommen.«
»Ich weiß.« Desari Stimme klang
leise und ein wenig heiser. »Es geht mir gut, Barack. Bitte sag Darius nichts
davon. Er ist schon nervös genug.«
»Da schätzt du Darius falsch
ein. Er fürchtet sich nicht vor den Attentätern. Er glaubt, dass der Fremde
heute Nacht zurückkommen wird.« Barack passte sich Desaris kürzeren Schritten
an, als sie durch den Flur zum Bühneneingang gingen.
Plötzlich tauchte auch Dayan an
ihrer Seite auf. »Darius wird den Fremden umbringen.«
Desaris sanfte taubengraue Augen
verdunkelten sich. »Was habt ihr eigentlich alle gegen diesen Mann? Seid ihr
denn jetzt schon so intolerant wie die Sterblichen? Ich dachte, wir seien eins
mit der Natur, mit dem gesamten Universum. Nur weil wir ihn nicht kennen,
müssen wir ihn doch nicht gleich hassen! Immerhin hat er mir das Leben
gerettet. Das sollte doch etwas bedeuten. Oder wäre es euch lieber gewesen,
wenn ich gestorben wäre?«
Dayan ergriff ihren Arm. »Kleine
Schwester, du brauchst diesen Fremden nicht zu verteidigen.«
Gleich darauf fühlte Desari ein
leises, warnendes Knurren in ihren Gedanken. Es gefiel dem Fremden nicht, dass
ein anderer Mann sie berührte. Jetzt gingen ihr alle Männer in ihrem Leben auf
die Nerven!
Brüsk entzog Desari Dayan ihren
Arm und rauschte auf die Bühne. Donnernder Applaus begrüßte sie, der die Halle
ganz auszufüllen und bis in den Himmel hinaufzusteigen schien. Lächelnd ließ
Desari ihren Blick über das Publikum schweifen und begrüßte die Menschen, die
jubelnd von ihren Sitzen aufsprangen, um ihrer Stimme und ihrer Musik zu
applaudieren. Doch eigentlich suchte sie nur nach einem ganz bestimmten Mann.
Und sie fand ihn auch gleich.
Sie begegnete seinem Blick, und ihr Herz schien stillzustehen. Es verschlug ihr
den Atem, als ihre dunklen Augen auf das schimmernde Gold der seinen trafen. Er
stand im Schatten, an eine Wand gelehnt, doch selbst in der Dunkelheit waren
seine markanten Züge unverkennbar. Leidenschaftlich und besitzergreifend
blickte er sie an, bis ihr Körper in hellen Flammen zu stehen schien.
Sieh mich nicht so an! Ehe sie sich zurückhalten
konnte, sandte Desari ihm die Worte auf ihrem privaten telepathischen Pfad.
Ich muss meine Gefährtin
ansehen, daran kann ich nichts ändern, antwortete er. Du bist so schön, dass es mir
den Atem verschlägt.
Seine Worte und der Klang seiner Stimme berührten Desari tief, und sie
spürte, wie ihr plötzlich Tränen in die Augen stiegen. Er war so voller
Leidenschaft, und in seiner Stimme lag unmissverständliches Begehren. Desari
sehnte sich mit jeder Faser ihres Seins nach ihm. Beinahe hätte sie ihren
Einsatz verpasst, als Dayan und Barack die Anfangstakte ihres ersten Songs
spielten. Doch dann sang sie nur für ihn, und jedem einzelnen Ton schien eine
geheimnisvolle Magie innezuwohnen.
Die Melodie erfüllte Julians
Seele. Desari war einfach unglaublich. Sie schlug das gesamte Publikum in ihren
Bann. Im Auditorium herrschte eine so andächtige Stille, dass es keiner der
Zuhörer wagte, auch nur mit den Füßen zu scharren. Die Töne tanzten wie winzige
Flammen in der Luft. Die Leute im Publikum rochen das Meer, von dem Desari
sang, und spürten die tosende Brandung. Desaris Lied brachte sie zum Weinen und
gab ihnen inneren Frieden. Julian vermochte den Blick nicht von ihr zu wenden.
Sie faszinierte ihn. Außerdem spürte er eine beinahe schmerzhafte Erregung, war
aber auch unendlich stolz auf sie. Die Empfindung
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