Dunkle Symphonie der Liebe
laufen kann, nichts als Ärger gemacht.«
»Er war ein Waisenkind, Byron.
Er verlor beide Eltern am Tag seiner Geburt.«
»Die meisten von uns haben
jemanden verloren, Eleanor, und er hat Lucia und Rodaniver nicht einmal
gekannt. Du und Vlad, ihr wart seine Eltern, und niemand hätte ihn mehr lieben
können. Lucia und Rodaniver haben in der Vergangenheit gelebt; sie hätten dem Jungen
das Leben zur Hölle gemacht, wenn sie überlebt hätten, und das weißt du auch.
Jetzt macht er euch das Leben zur Hölle.«
»Byron!« Eleanor schlang nervös
ihre Finger ineinander. »Josef braucht Liebe und Verständnis. Du solltest dir
bei ihm ein bisschen mehr Mühe geben. Ihn auf den richtigen Weg führen.«
»Warum habe ich das Gefühl,
dass hinter diesem Besuch mehr als eine angenehme Überraschung steckt? Ihr seid
nicht rein zufällig nach Italien gekommen, oder?« Seine schwarzen Augen
verdüsterten sich.
Eleanor wandte den Blick ab.
»Was du auch sagst, Josef ist dein Neffe, und ich finde, du solltest Interesse
für ihn zeigen. Er möchte gern malen. Italien eignet sich wunderbar, um Malerei
zu studieren. Benji hatte zu viel zu tun und konnte Josef nicht begleiten. Er
braucht immer noch Beaufsichtigung, und da du hier bist...«
»Nein! Nein und nochmals nein!
Ich kann mich unmöglich um den Jungen kümmern. Und ich will ihn nicht in der
Nähe des Palazzos haben.« Byron erschauerte sichtlich. »Er trägt seine Hosen
zehn Nummern zu groß. Als du ihn zu Mikhail gebracht hast, stand er in weiten
Schlabberhosen und mit Ringen in Lippe, Nase und Augenbraue vor unserem Prinzen
und seiner Gefährtin.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, durch welche
Körperteile er sich sonst noch Ringe gesteckt hat, aber jedes Mal, wenn er den
Mund aufmachte, habe ich irgendein widerliches Ding an seiner Zunge gesehen.
Schlimmer noch, er wollte vor den beiden auftreten, und ihr habt es ihm
erlaubt.«
»Er war damals noch sehr jung,
Byron, und es hat ihm sehr viel bedeutet.«
»Ich mag Mozart und Chopin,
Opern und sogar Blues, aber keinen Rap. Wie ging noch dieses grauenhafte Lied,
das er verzapft hatte? Ich höre es manchmal immer noch, wenn ich Albträume
habe. Wenn ich mich recht entsinne, hat er seltsame Geräusche von sich gegeben
und wiederholt ausgespuckt, bevor er uns mit dem Text beglückte.« Byron zeigte
seine strahlend weißen Zähne, die lang und spitz wurden, als würde er am
liebsten ein Stück aus seinem Neffen herausbeißen. »Der Auftritt war so
schockierend, dass ich den Text niemals vergessen werde. Falls du dich nicht
mehr erinnern kannst, er lautete so: >Ich bin der Mann, der Mann, den keiner sehen
kann, unsichtbarer Schrecken, du wirst vor Angst verrecken, Blut an meinen
Händen, die Nacht soll für dich enden, ich sehe dich mit Katzenaugen, ich will
dein Blut aussaugen, ich bin das Grauen der Nacht, gib Acht!< Mir hat besonders gut
gefallen, was für ein Gesicht der Prinz gemacht hat, als Josef den Refrain
sang: >Ich will dein Blut saugen, Blut saugen, Blut, Blut, Blut!<.« Byron stellte fest, dass er
bei der Erinnerung beinahe lachen musste, etwas, das ihm damals vor all den
Jahren nicht gelungen war. »Das einzig Gute daran war, dass er Jacques zum
Lachen brachte. Ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr lachen sehen. Das war der
einzige Grund, warum ich Josef diesen offenkundigen Versuch, sich in den Mittelpunkt
zu drängen, verziehen habe.«
»Aber Byron, er ist wirklich
talentiert! Schon damals, als er praktisch noch ein Kind war, war er so
kreativ!« Einen Moment lang herrschte Schweigen. Eleanor ärgerte sich über
ihren Bruder. »Er war erst fünfzehn, und das ist ein schwieriges Alter. Jetzt
ist er viel reifer geworden.«
»Erzähl mir nichts, liebe
Schwester! Ich habe gehört, dass er dazu übergegangen ist, sich ganz in Schwarz
zu hüllen, und sich mit seinen menschlichen Freunden auf dem Friedhof auf
Gräber legt. Und dass er so viele Ringe in der Unterlippe trägt, dass keiner
hinschauen mag, aus Angst, in Gelächter auszubrechen.«
»Das ist so unfair! Um Himmels
willen, alle Kinder probieren dieses oder jenes aus. Er hat seine
Gruftie-Phase durchgemacht, so hat es Vlad jedenfalls bezeichnet. Das ist
Jahre her; er war damals erst siebzehn. Du weißt, dass er nach unserem Standard
kaum aus den Kinderschuhen heraus ist. Er ist dein Neffe, Byron, und er will
fremde Länder kennen lernen. Es würde nicht schaden, wenn du ein bisschen
Anteil an seinen Interessen nimmst. Er braucht Zuwendung.«
»Es
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