Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
Neuigkeiten. Ob der Kaminherd in der Küche einwandfrei funktionierte oder ob er qualmte. Und ob ich, wenn der Hund die Arbeiter im Trainingslager besuchte, ins Bett ging, bis ich ihn an der Tür kratzen hörte, oder ob ich unten auf ihn wartete.
Was ich alles habe!, sagte ich zu mir selbst. Ich habe in Tessa eine wunderbare Freundin. Ich habe noch mehr Freunde, und ich habe einen Hund, den ich liebe. Mein Geld reicht mir, bis ich wieder einen Job finde, und wenn ich einen Job gefunden habe, dann kann ich meinen Verdienst in das Haus hier stecken. Leo geht es besser – jedes Mal, wenn ich mit ihm rede, klingt seine Stimme kräftiger und wärmer. Min amüsiert sich bestens. Was kann man sich sonst noch wünschen?
Ach, rief dann mein ganzes Ich, man kann sich noch viel mehr wünschen! Zum Beispiel kann man sich wünschen, bedeutend zu sein. Gut zu sein. Gutes zu tun. Begehrt zu werden. Die innere Leere zu füllen. Das alles kann man sich wünschen. Und
dann kannst du dir wünschen, dass deine Mutter zurückkommt, dass dein Vater und deine Tante zurückkommen – dass jemand dich liebt, dich kennt, für dich sorgt und dir auf der letzten Etappe der Reise beisteht.
Dann fiel mir ein, wie liebevoll Markey über mich gelacht hatte, und ich beruhigte mich wieder.
»Was soll das?«, hatte er empört gerufen, als ich in einem unserer Gespräche Dylan Thomas zitierte und sagte, ich sei noch nicht bereit, gelassen in die gute Nacht zu gehen.
»Mein Gott, Rosie!«, rief er ins Telefon. »Du bist doch noch ziemlich jung, und du bist kerngesund! Du gehst nirgendwohin. Hör auf mit dem Quatsch!«
24
T atsache ist, dass im Wechsel der Gezeiten auf die Ebbe immer die Flut folgt – und umgekehrt. Auch in mir veränderte sich nach und nach etwas. Es geschahen ein paar Dinge, die mir das Gefühl gaben, dass ich nicht mehr auf den im Unendlichen entschwindenden Horizont zusteuerte, sondern mich dem Ufer näherte.
Eines Tages hörte ich jemanden oben auf der Anhöhe pfeifen. Es war der Postbote.
»Ich habe Post für Sie!«, rief er.
Der Hund freute sich, dass wir Besuch bekamen, und rannte vor Begeisterung immer wieder hin und her, während ich den Abhang hinauflief, ohne ein einziges Mal stehen zu bleiben, um nach Luft zu schnappen.
»Schöner Tag heute«, sagte der Postbote. »Jedenfalls besser als gestern.« Und ich freute mich, jemanden begrüßen zu können.
Es war eine Karte vom Zahnarzt und ein Brief von den Stromwerken, in dem mir mitgeteilt wurde, dass mein Anschluss am Ende des Monats abgestellt werde, weil es sich um eine Sonderverbindung handle, die nur im Zusammenhang mit Tierpferchen verwendet werden dürfe, sonst nicht. Ich stapfte durch den Winterwald zur Telefonzelle, um Andy von dem Brief zu erzählen. In Verwehungen und unter Büschen, die das Sonnenlicht nicht erreichte, waren die abgefallenen Buchenblätter noch vereist
vom Nachtfrost: wunderschön umrissene Formen, mit einer ockerfarbenen Mitte und weißen Zackenrändern.
Was sollte ich tun? Konnte ich über eine Anzeige eine Familie für den Hund suchen und ihn abgeben? Oder gab es vielleicht eine Möglichkeit für mich, wieder zu arbeiten und den Hund zu behalten?
Andy kam am nächsten Tag.
»Ich wollte dich sowieso besuchen, weil ich mich verabschieden möchte«, sagte er. »Und außerdem soll ich dir von Pearl noch ein paar leckere Sachen bringen, falls du nicht genug isst …«
»Keine Sorge, ich esse mehr als genug«, entgegnete ich.
Aber Andy ließ nicht locker. Er fand, ich sollte wieder in Mins Haus ziehen und mich von Leo mit Pasta bekochen lassen. Aber ich entgegnete, dass es mir immer noch unmöglich erschien, irgendwo anders hinzugehen. Und das war die Wahrheit.
»Na ja – iss aber trotzdem was. Wir hören nicht heute auf zu essen, nur weil wir nicht wissen, was morgen kommt.«
»Sollten wir aber.«
»Was sollten wir? Aufhören zu essen?«
»Nein. Wir sollten uns vor morgen fürchten.« Ich war den Tränen nahe.
»Rosie – bitte, bleib nicht hier wohnen. Lass das Haus renovieren, wenn du es so sehr magst. Aber geh weg von hier. Jetzt gleich. Die Handwerker könnten sofort anfangen, noch vor Weihnachten, weil man nicht so viel draußen machen muss. Gib’s auf, Rosie. Lass los.«
»Ich will aber hierbleiben«, entgegnete ich trotzig.
»Möchtest du nicht nach Kilbride, weil Leo im Haus ist? Dann könntest du nämlich …«
»Nein, nein, Andy, damit hat es nichts zu tun. Im Gegenteil, ich finde es toll, dass Leo dort wohnt. Es
Weitere Kostenlose Bücher