Dunkle Umarmung
daß ich liebend gern eines Tages allein wiederkommen und mich daran versuchen würde.
»Bist du je weiter hineingelaufen, Troy?« fragte ich.
»Ja, sicher. Tony nimmt mich manchmal zu dem Häuschen mit. Er kennt den Weg genau«, sagte er und verdeutlichte es mir, indem er mit der Handfläche einen Zickzackkurs beschrieb. Dann beugte er sich zu mir vor und flüsterte aufgeregt: »Willst du es versuchen?«
»Du kleiner Schlingel. Du hast gehört, was dein Bruder gesagt hat. Und jetzt komm, wir werden umkehren. Als nächstes will ich mir die Pferde ansehen.«
Er trat einen Schritt zurück und grinste hämisch. Dann kam ihm augenblicklich der nächste aufregende Gedanke, und er zerrte mich zum Eingang zurück.
»Komm, ich werde dir mein Pony zeigen, Sniffles. Du darfst auch auf ihm reiten.«
»Sniffles?« Ich folgte ihm, und mein Lachen wehte hinter mir her, um im Schatten des Irrgartens zu verhallen.
Tony und Mama waren ein Stückchen weitergegangen und führten wieder eins ihrer angeregten Gespräche. Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen, als ich sah, wie Mama ihren hübschen Kopf zurückwarf und über irgend etwas, was Tony gesagt hatte, lachte.
»Tony! Tony!« rief Troy, ließ meine Hand los und lief auf die beiden zu. »Leigh möchte Sniffles reiten. Darf sie das? Sag schon, darf sie das?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Leigh will reiten? Willst nicht viel eher du, daß sie reitet?«
fragte ihn Tony.
Troy zuckte mit den Achseln, weil er keinen Unterschied erkennen konnte.
Mama schnalzte plötzlich mit den Fingern.
»Ich wußte doch, daß ich etwas vergessen habe. Ich wollte ihr zum Geburtstag Reitkleidung kaufen.«
»Zum Geburtstag?« fragte Tony. »Ach, stimmt, Leigh hat ja gestern Geburtstag gehabt.« Er zwinkerte Mama zu und trat vor. »Ich wußte doch, daß ich das aus irgendeinem Grund bei mir trage.« Er zog ein kleines Schächtelchen aus seiner Jackentasche. Es war in Goldfolie eingewickelt und mit einem schwarzen Band verschnürt.
»Was ist das?«
»Das ist ganz offensichtlich ein Geburtstagsgeschenk, Leigh«, sagte Mama etwas schnippisch. »Nimm es, und sag danke.«
»Aber…« Ich nahm es zögernd entgegen.
»Was ist das? Was ist das?« rief Troy.
Ich löste die Schleife und wickelte das Schächtelchen aus.
Dann öffnete ich es und sah einen goldenen Anhänger in Form eines Ozeandampfers mit einer goldenen Halskette. Auf dem Anhänger saßen zwei winzige Diamanten, jeweils oben auf den Schornsteinen.
»Oh, sieh nur«, hauchte ich und hielt es Mama hin. Sie schüttelte den Kopf und lächelte.
»Wie schön.«
»Ich will es auch sehen! Zeig es mir auch!« rief Troy. Ich kniete mich hin, und er sah es mit flüchtigem Interesse an.
»Das schwimmt ja gar nicht«, maulte er.
»Es soll nicht schwimmen, Troy. Man trägt es um den Hals.«
Ich nahm die Kette heraus und hielt sie mir an.
»Sehen Sie sich die Rückseite an«, sagte Tony.
Ich drehte den Anhänger um und las: »Prinzessin Leigh.«
»Das ist ja wunderschön, Tony«, sagte Mama, und es klang gar nicht mehr schnippisch. »Ich wünschte, ihr Vater würde ihr solche Dinge schenken und nicht wirkliche Schiffsmodelle, die man auseinandernehmen kann, um ihre Funktionen zu verstehen.«
»Väter erkennen immer erst als letzte, wie erwachsen ihre Töchter geworden sind.«
Ich sah schnell auf. Er betrachtete mich mit diesen durchdringenden blauen Augen und gab mir das Gefühl, älter zu sein. Ich wurde rot, und mein Herz schlug rasend, als ich die Augen schnell wieder niederschlug.
»Ich hoffe, daß es Ihnen gefällt, Leigh«, flüsterte Tony.
»Oh, es ist wunderschön. Vielen herzlichen Dank.« Ich sah Mama an. Sie nickte, und ich wußte, daß von mir erwartet wurde, ihm einen Kuß zu geben. Da ich ihn kaum kannte, kam es mir komisch vor, aber ich wollte alles richtig machen, wenn schon nicht um meinetwillen, dann doch um Mamas willen.
Tony beugte sich zu mir. Ich küßte ihn eilig auf die Wange, dabei schloß ich die Augen und atmete tief den Duft seines Rasierwassers ein. Er war wirklich der erste Mann außer Daddy, den ich je geküßt hatte. Ich konnte nichts dagegen tun, daß mein Herz heftig pochte. Davon wurde mir ein wenig schwindlig. Ich hoffte nur, daß er es nicht bemerkt hatte.
»Danke«, murmelte ich noch einmal.
»Lassen Sie mich Ihnen beim Anlegen behilflich sein«, sagte Tony und nahm mir die Kette aus der Hand. Meine Finger zitterten tatsächlich. Er öffnete den Verschluß und legte mir die Kette um den Hals.
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