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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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daß er versuchte, sich genau wie er zu benehmen. Er nahm seine Serviette vom Tisch, faltete sie auseinander und legte sie sich ordentlich auf den Schoß. Dann lehnte er sich mit perfekter Haltung zurück.
    Außer der Obstschale, in der jede einzelne Frucht raffiniert aufgeschnitten und hübsch garniert war, gab es einen köstlichen Salat mit Zutaten, die ich noch nie gekostet oder auch nur gesehen hatte. Manches sah aus wie Blütenblätter, doch alles schmeckte köstlich. Als Hauptgericht gab es Hummer auf einem Bett aus Wildreis, recht scharf gewürzt, aber ausgezeichnet. Zum Nachtisch servierte Ryse Williams persönlich einen Pfirsich Melba. Ich war so satt, daß ich mich schon auf den Spaziergang am Strand freute.
    »Leigh«, sagte Tony, »warum gehen Sie nicht schon mit Troy in den Garten? Ich komme gleich nach. Ihre Mutter und ich haben nur noch kurz etwas wegen der Wandgemälde zu besprechen.«
    »Komm, Leigh«, sagte Troy und sprang von seinem Stuhl.
    Ich sah Mama an. Sie hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt, die Hände gefaltet und die Finger an ihre Lippen gepreßt, aber um ihre Augen spielte ein zufriedenes Lächeln.
    Hier, in dieser verwunschenen Umgebung, sah sie mehr denn je wie eine Märchenprinzessin aus.
    »Ich werde mir jetzt meinen Kittel anziehen«, sagte sie leise.
    Ich folgte Troy aus der Haustür. »Wohin gehst du, Troy?«
    fragte ich. Er war nach rechts gelaufen und dann hinter einem Strauch verschwunden. Zur Antwort auf meine Frage zeigte er mir den kleinen Eimer und die Schaufel, die er dort geholt hatte.
    »Das habe ich gestern hier liegengelassen, als ich mit Boris gearbeitet habe. Wir brauchen es am Strand.«
    »Ach so. Ja, sicher.«
    »Komm«, sagte er. »Tony wird uns schon einholen.«
    »Ich glaube, wir sollten lieber auf ihn warten.«
    »Ich soll immer nur warten, warten, warten«, sagte er und stampfte mit dem Fuß auf. Dann ließ er sich ins Gras plumpsen und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust.
    »Es dauert nicht lange, da bin ich ganz sicher«, tröstete ich ihn und lächelte.
    »Wenn deine Mama malt, geht er nie aus dem Haus.« Wie konnte er nur so etwas Seltsames sagen, dachte ich. Tony sah Mama doch gewiß nicht beim Arbeiten die ganze Zeit über die Schulter.
    Troy sah mich aus argwöhnischen Augen an.
    »Wo ist dein Papa?« fragte er. »Ist er auch gestorben und zu den Engeln in den Himmel gekommen?«
    »Nein, er arbeitet. Ich wollte, daß er heute mit uns kommt, aber das ging nicht.«
    Troy starrte mich weiterhin neugierig an. Dann sah er zur Eingangstür des Hauses.
    »Hallo!« rief Tony von der obersten Stufe aus. Troy sprang auf. »So, wir können gehen«, sagte Tony und kam schnell die Treppe herunter. Troy rannte voraus. »Kommen Sie oft ans Meer, Leigh?« fragte Tony.
    »Ich gehe oft zum Hafen und ins Büro meines Vaters, und wir haben ein paar Seereisen unternommen«, sagte ich.
    Ich konnte kaum fassen, wie nervös ich ohne Mamas Begleitung war. Ich hatte schreckliche Angst, ich könnte etwas Falsches sagen oder tun und sie selbst, aber auch mich, damit in Verlegenheit bringen. Tony wirkte so selbstsicher. Bei seinem enormen Reichtum und dem bedeutenden Geschäft mußte er ein sehr weltgewandter und gebildeter junger Mann sein, dachte ich. Durch Daddys Firma war ich weit mehr herumgekommen als die meisten meiner Freundinnen, und auf unseren Reisen hatte ich viele Menschen aus verschiedenen Ländern kennengelernt, aber trotzdem war ich jetzt unsicher.
    »Ach ja, natürlich«, sagte Tony. »Was für eine dumme Frage.
    Was ich eigentlich meinte, war, ob Sie im Sommer an den Strand kommen.«
    »Nein, nicht allzu oft. Mama geht nicht gern an den Strand.
    Sie haßt es, wenn der Sand an ihr klebt.«
    Wir liefen weiter. Troy rannte auf seinen wackeligen kurzen Beinen vor uns her, und seine Armbewegungen waren so energisch, daß sein Sandeimerchen hin und her schwang.
    »Er ist wirklich goldig«, sagte ich.
    »Ja«, erwiderte Tony, und sein Stimme klang betrübt. »Es ist schwer für das kleine Kerlchen gewesen. Er war nach seiner Geburt sehr kränklich. Damals haben wir eine Zeitlang nicht geglaubt, daß er durchkommt.«
    »Oh. Was ist mit Ihren…«
    »Was unseren Eltern zugestoßen ist?«
    Ich nickte.
    »Unsere Mutter ist eineinhalb Jahre nach Troys Geburt gestorben. Sie hatte eine seltene Blutkrankheit. Nächsten Monat ist es ein Jahr her, daß mein Vater an einem Herzanfall gestorben ist.« Die Farbe seiner Augen veränderte sich von einem freundlichen,

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