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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bösartige Natter, aber deshalb bringt man doch keine um. Er wär’ beinahe davongekommen, wenn er ’n bißchen weniger genommen hätt’. Nicht leicht nachzuweisen, dieses Digitalis. Sieht nach ’nem ganz normalen Herzversagen aus, wenn man die richtige Menge nimmt. Der arme Kerl hat zuviel genommen. Da sind sie mißtrauisch geworden.«
    »Ich verstehe. Besten Dank.«
    »Hab’ Ihnen wohl nicht viel weiterhelfen können? Tut mir leid.«
    »Ich nehme an, Sie haben an dem Tag kein Digitalis verkauft, an eine Frau vielleicht, auf die ihre Beschreibung passen würde?« fragte Monk, und ihm war nicht wohl dabei. Natürlich hatte Hester es nicht gekauft, aber vielleicht eine Frau, die ihr ähnlich sah. »Ziemlich groß, schlank, gerade Schultern, braunes Haar, intelligentes Gesicht, kräftig, ausgeprägte Gesichtszüge mit einem sehr schönen Mund.«
    »Nein«, antwortete Landis mit Gewißheit.
    »Könnten Sie das beschwören?«
    »Ohne weiteres. Hab’ an dem Tag gar nichts von dem Zeug verkauft.«
    »Und in der Woche? Vielleicht an jemanden aus dem Farraline-Haus?«
    »Nein, an niemanden außer Dr. Mangold und den alten Mr. Watkins. Kenne die beiden seit Jahren. Die haben beide nichts mit den Farralines zu tun.«
    »Danke«, sagte Monk in plötzlicher Hochstimmung. »Ich danke Ihnen sehr. Wenn Sie mir nun noch die Namen und Adressen aller Apotheker im näheren Umkreis vom Ainslie Place nennen könnten, Sir?«
    »Sicher«, versprach Landis und zog die Stirn in Falten. Er langte nach einem Stück Papier, tauchte die Feder ein und schrieb mehrere Zeilen auf das Blatt, bevor er es Monk reichte und ihm viel Glück wünschte.
    Monk dankte ihm überschwenglich und verließ energischen Schrittes den Laden. Die Tür schwang hinter ihm in den Angeln.
    In jedem anderen Laden, in dem er es versuchte, erhielt er im Prinzip die gleiche Antwort. Niemand erkannte Hester nach der Beschreibung wieder, und keiner von ihnen hatte an ein Mitglied der Familie Farraline oder sonst jemanden, den er nicht persönlich kannte, Digitalis verkauft.
    Er verfolgte noch ein paar andere Informationsquellen – das Gasthaus, die Straßenhändler und Straßenfeger, die Boten und Lieferjungen und die Zeitungsverkäufer –, aber mehr als allgemeinen Tratsch, mit dem er nichts anfangen konnte, erfuhr er dabei nicht. Die Farralines genossen ein sehr hohes Ansehen; sie waren außerordentlich großzügig der Stadt und diversen Wohlfahrtseinrichtungen gegenüber. Hamish, der vor acht Jahren nach langer Krankheit gestorben war, hatte einen hervorragenden Ruf. Über Hector redete man nachsichtig und mit Mitgefühl für Mary, aber auch mit Hochachtung, weil sie ihm ein Heim gegeben hatte. Mary schien mit beinahe allem, was sie getan hatte, die Hochachtung der Leute gewonnen zu haben, aber mehr noch war sie beliebt für das, was sie war: Eine Dame mit Würde, Charakter und Urteilsvermögen.
    Auch von Alastair sprach man mit Respekt, sogar mit ein wenig Ehrfurcht. Er hatte große Macht und übte ein wichtiges Amt aus, aber die Zurückhaltung, mit der er es ausübte, wurde ihm hoch angerechnet. In jüngster Zeit erst hatte er bei einem Fall seine Souveränität unter Beweis gestellt, als ein Mr. John Galbraith beschuldigt wurde, Investoren um eine beträchtliche Summe Geldes betrogen zu haben – eine äußerst undurchsichtige Angelegenheit. Die Kläger waren von höchst zweifelhaftem Ruf. Die Beweise erschienen keineswegs lupenrein. Der Prokurator hatte Mut bewiesen und den Fall eingestellt.
    Der Rest war der übliche Klatsch. Quinlan Fyffe sei sehr clever, ein Zugereister aus Stirling, vielleicht auch aus Dundee. Kein sehr beliebter Mann bis jetzt. McIvor war, trotz seines Namens, ein Engländer. Ein Jammer, daß Miss Oonagh sich nicht für einen Edinburgher entschieden habe. Miss Deirdra wäre sehr extravagant, erzählte man ihm – ständig brauche sie neue Kleider, dabei habe sie überhaupt keinen Geschmack. Miss Eilish bleibe den ganzen Vormittag im Bett. Man wisse nicht genau, ob sie die schönste Frau in Schottland sei, ganz sicher aber die faulste.
    Das war alles ziemlich unbrauchbar und nicht einmal interessant. Monk bedankte sich höflich bei den Informanten und gab es schließlich auf.
    Der sonntägliche Lunch am Ainslie Place war wesentlich weniger förmlich, als das Abendessen es gewesen war. Als Monk eintraf, kam die Familie gerade aus der Kirche zurück, alle in Schwarz gekleidet. Die Frauen trugen ausladende Röcke und Pelzstolen um die

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