Dunkler Grund
Straßenhändler und Straßenfeger, die vielleicht ein waches Auge hatten und denen man sicher mit ein paar Pennys die Zunge lockern konnte.
»Ja«, sagte der Arzt und beäugte Monk mit unverhohlenem Mißtrauen. »Ich habe Mrs. Farraline behandelt. War ’ne feine Dame. Aber Sie wissen ja wohl, daß alles vertraulich bleiben muß, was sie mit mir zu besprechen hatte.«
»Natürlich«, erwiderte Monk und versuchte, nicht ungeduldig zu erscheinen. »Ich will ja nur die genaue Dosierung des Herzmittels wissen, das Sie ihr verschrieben haben…«
»Wozu? Was geht Sie das an, Mr. Monk? Haben Sie nicht gesagt, das Sie die Anklage gegen die elende Krankenschwester vertreten, die sie umgebracht hat? Ich habe gehört, sie hat ihr die doppelte Dosis verabreicht, oder stimmt das etwa nicht?« Er sah Monk aus schmalen Äuglein an.
»Doch, das stimmt«, sagte Monk vorsichtig. »Aber vor Gericht muß das alles zweifelsfrei bewiesen werden. Wir müssen jede Einzelheit nachprüfen. Bitte, Dr. Crawford, erzählen Sie mir möglichst genau, was Sie ihr verschrieben haben. War es die übliche Dosis? Welcher Apotheker hat sie hergestellt?«
Crawford nahm eine Feder und ein Blatt Papier, kritzelte etwas darauf und gab es Monk.
»Bitte schön, junger Mann. Das ist das genaue Rezept, aber Sie können’s nicht einlösen, weil ich’s nicht unterschrieben hab’. Und da steht der Name des Apothekers, der es immer zusammengemischt hat. Ich nehme an, sie sind immer zum selben gegangen.«
»Kommt es oft vor, daß bei einem Medikament bereits die doppelte Dosis zum Tode führen kann?«
»Nun ja, es war eine sehr geringe Menge. Sie muß genau abgemessen werden. Deshalb wird sie in den Phiolen verkauft. Eine Phiole ist eine Dosis. Da kann man nichts falsch machen.«
Crawford betrachtete ihn zurückhaltend, mißtrauisch, auch ein wenig belustigt.
»Danke«, sagte Monk kurz, faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in die Westentasche. »Ich werde Mr. Landis aufsuchen.«
»Wüßte nicht, daß der sich schon mal geirrt hat«, meinte Crawford vergnügt. »Aber ich kenne auch keinen Apotheker, der einen Irrtum zugeben würde!« Er machte keinen Hehl aus seiner Belustigung.
»Ich auch nicht«, räumte Monk ein. »Aber jemand muß entweder die doppelte Dosis hineingetan oder ein heilsames Medikament durch ein tödliches ersetzt haben. Vielleicht kann der Mann mir nützliche Tips geben.«
»Könnte man ihr nicht einfach zweimal die normale Dosis gegeben haben?« gab Crawford zu bedenken.
Monk lächelte zurück. »Meinen Sie, diese Frau hätte das mit sich machen lassen? Sie haben ihr doch sicher gesagt, daß die doppelte Dosis tödlich sein kann, oder?«
Die Heiterkeit war aus Crawfords Augen verschwunden.
»Natürlich!« fauchte er. »Wollen Sie behaupten, ich verstehe mein Handwerk nicht?«
Monk machte sich nicht die Mühe, seine Befriedigung zu verbergen. »Ich versuche nur herauszufinden, ob es möglich ist, daß Mrs. Farraline eine doppelte Dosis bekommen hat, weil sich jemand an den Phiolen zu schaffen gemacht hat.«
»Also, jetzt wissen Sie’s! Gehen Sie zu Landis. Der wird Ihnen sicher erzählen, wie man so etwas anstellt. Guten Tag, Sir.«
»Nun, man könnte es herausdestillieren.« Landis legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Die Flüssigkeit reduzieren, bis es dieselbe Menge wie bei einer einfachen Dosis ist. Aber dafür braucht man die richtige Ausrüstung. In der Küche geht so etwas nicht. Viel zu riskant. Spontan, einfach so kann man das nicht machen.«
»Wie dann?« fragte Monk. »Wie würden Sie es machen?« Landis warf ihm einen Seitenblick zu. »Spontan? Schwer zu sagen. Gar nicht, glaub’ ich. Ich würde warten, bis mir was Besseres einfällt. Aber es muß spontan passiert sein, was?«
»Sie war nur einen Tag lang dort.«
»Ich würde Digitalis kaufen und ihr die doppelte Dosis geben. Woher wollen Sie wissen, daß sie kein Digitalis bei sich hatte? Die Frau war doch Krankenschwester, oder? Vielleicht hatte sie was dabei – für Notfälle. Nein, nicht sehr wahrscheinlich. Ein Arzt, vielleicht, aber keine Schwester. Gestohlen?«
»Aus welchem Grund?«
»Ach, fragen Sie mich was Leichteres; es sei denn, sie hätte es geplant. Und dann wäre sie eine kaltblütige Mörderin, was?« Landis verzog das Gesicht. »Wäre immerhin möglich. Vor'n paar Monaten hatten wir hier in Edinburgh ’n üblen Giftmord mit Digitalis. Ein Mann hat seine Frau vergiftet. Häßliche Geschichte. Eine schreckliche Frau, eine
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