Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
schaffen zu machen.« Im selben Moment begriff er, was ihm da herausgerutscht war. Blut schoß ihm ins Gesicht, im Magen bildete sich ein Eisklumpen.
    Einen Augenblick lang war es völlig still am Tisch.
    Alastair runzelte die Stirn, sah zuerst Oonagh an, dann Monk.
    »Wie kommen Sie zu der Vermutung, daß sie das bereits hier im Haus getan haben könnte, Mr. Monk?«
    Alle sahen ihn an, Deirdra mit unverhohlener Neugier, Eilish voller Angst, Quinlan verächtlich, Baird mit vorsichtigem Interesse, Oonagh nachsichtig und beinahe mitfühlend.
    Monks Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Wie konnte er sich aus der Falle befreien, in die er getappt war? Ihm fiel keine passende Lüge ein. Sie warteten auf eine Antwort. Er mußte etwas sagen!
    »Meinen Sie etwa, es war ein spontaner Entschluß?« fragte er langsam. »Was hat sie zuerst gemacht, die Brosche gestohlen oder das Gift gemischt?«
    Deirdra zuckte zusammen. Eilish stöhnte auf.
    Quinlan sah Monk lächelnd an. »Dagegen sind meine Taktlosigkeiten geradezu dilettantisch«, sagte er amüsiert.
    Eilish hob eine Hand vor das Gesicht.
    Baird schoß einen giftigen Blick auf Quinlan ab.
    »Ich nehme an, Mr. Monk verfolgt eine Absicht, Quin, und sagt das nicht aus Bosheit«, sagte Deirdra ruhig.
    »So ist es«, stimmte Monk ihr zu. »Was meinen Sie, wie es passiert ist?« Ganz unbewußt sah er Oonagh an. Obwohl Alastair das Familienoberhaupt und Deirdra die Hausherrin war, spürte er instinktiv, daß Oonagh die Stärkste von ihnen war, daß eigentlich sie es war, die Marys Platz eingenommen hatte.
    »Ich… ich muß gestehen, ich habe noch nicht darüber nachgedacht«, sagte sie zögernd. »Es ist nicht gerade… ein sehr angenehmes Thema.«
    »Mr. Monk, ist das wirklich nötig?« Über soviel Grobheit konnte Alastair nur mißfällig die Nase rümpfen. »Und wenn ja, dann sollten wir vielleicht hinterher in meinem Arbeitszimmer darüber reden und nicht vor den Damen.«
    Monk gab sich keinen männlichen Illusionen über die emotionale Schwäche von Frauen hin.
    »Ich würde lieber in Gegenwart der Damen darüber reden«, sagte er laut und schenkte Alastair ein schmales Lächeln. »Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Frauen aufmerksamer sind, besonders anderen Frauen gegenüber, und meistens haben sie ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Ich müßte mich sehr wundern, wenn sie sich nicht wesentlich genauer an Miss Latterly erinnern könnten als Sie zum Beispiel.«
    Alastair sah ihn nachdenklich an.
    »Ich glaube, Sie haben recht«, räumte er nach kurzem Zögern ein. »Also gut, aber nicht heute abend. Ich muß noch einige Papiere durcharbeiten. Vielleicht können Sie am Sonntag zum Lunch zu uns kommen? Nach der Kirche? Bis dahin hätten Sie Gelegenheit, alle anderen Ermittlungen in dieser Sache durchzuführen. Ich nehme an, Sie möchten das Haus sehen? Und das Personal natürlich.«
    »Vielen Dank. Sehr aufmerksam von Ihnen. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich beides morgen tun. Ich hätte auch gerne mit dem Hausarzt gesprochen. Es ist mir natürlich ein Vergnügen, am Sonntag mit Ihnen zu speisen. Welche Zeit wäre Ihnen genehm?«
    »Viertel vor eins«, antwortete Alastair. »Und nun wollen wir von angenehmeren Dingen reden. Waren Sie schon mal in Edinburgh, Mr. Monk?«
    In Gedanken versunken kehrte Monk zum Grassmarket zurück. Er versuchte, in den Menschen in diesem Haus am Ainslie Place die Gefühle wiederzufinden, die Hester ihm kurz geschildert hatte, und dabei vielleicht auf tiefere Abgründe zu stoßen, als diese scheinbar normale, wohlhabende Unternehmerfamilie sie auf den ersten Blick offenbarte. Offensichtlich konnten Quinlan und Baird McIvor sich nicht ausstehen. Dafür konnte es einen Grund geben, doch vielleicht war es auch bloß die natürliche Abneigung zweier Männer, denen genau die falschen Dinge gemeinsam waren – Arroganz, aufbrausendes Temperament und die Gier nach Anerkennung statt Vernunft, Gelassenheit und Nachsicht.
    Aber nach dieser anstrengenden Nacht im Zug und den niederschmetternden Nachrichten des gestrigen Tages war er schrecklich müde. Spekulationen führten zu nichts. Am Sonntag würde er sie alle genau beobachten, und danach konnte er immer noch Theorien aufstellen. Morgen wollte er sich den Hausarzt vornehmen, dessen Adresse Alastair ihm gegeben hatte, und die Apotheker. Und danach mußte er auf andere Quellen zurückgreifen, um allgemeine Informationen zu erhalten: Den nächsten Pub, wo möglicherweise die Hausdiener verkehrten, die Botenjungen,

Weitere Kostenlose Bücher