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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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wird er Zahlen brauchen. Wie wird er über die Mauer kommen?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Und ich glaube nicht, dass er eine hat. Hoffen wir, dass ich Recht habe. Gute Nacht.«
    Ich hätte ihn nicht ärgern sollen, dann wäre es mir viel leicht gelungen, mehr aus ihm herauszuholen. Aber ich wusste, dass er die Nacht und die Träume fürchtete. Den ganzen Tag hatte er ein Gesicht gemacht, als hielte ihm je mand eine tote Katze unter die Nase. Reaktion auf das Dunkel.
    Sie benötigten zwei Wochen, um den Graben aufzufüllen, und die gesamte Operation verlief glatt und gründlich. Man sah, dass drüben geschickte Leute am Werk waren. Jemand dort draußen verstand sich auf sein Geschäft. Als der Graben gefüllt war, wurden die Säue näher herange schoben. Wir ließen Haken an Seilen hinab, um eine oder zwei umzuwerfen, aber sie waren ungeheuer schwer, und unsere Versuche schlugen fehl.
    Dann kam die Nacht, als keine Felsbrocken mehr in die Lücke fielen. Es wurde still, bis wir aus den inne ren der zwölf Säue, die überlebt hatten, Hammerschläge hören konnten. Dann klappten die Frontseiten wie Zugbrücken mit lautem Krachen herunter, und mit Geschrei brachen die Angriffsabteilungen vor, Sturmleitern auf den Schultern.
    Wir wurden zur Verstärkung der Besatzung auf den äußeren Mauerring befohlen. So waren wir, die Tenabrer, unter den Ersten, die dem Dunkel gegenüberstanden.
    Plötzlich übergossen Ströme goldenen Feuers die Au ßenmauern der schwarz in die Nacht ragenden Festung. Flammendes Öl ergoss sich von den Pechnasen, erhellte die Nacht und verbrannte das Dunkel, und die Luft war erfüllt von zischenden Pfeilen und stählernen Bolzen – sie schien dick von Magie. Wildes Geschrei und Geheul begleitete den Ansturm des Dunkels, als es die Sturmleitern setzte und hinaufschwärmte wie Ameisen an einem Zu ckerrohr. Wir empfingen sie oben, diejenigen von ihnen, die nicht bereits von brennendem Pech und Öl übergos sen abgestürzt waren, und wir stießen sie zurück in die Tiefe. Ihre Schreie stiegen empor zum frostigen Mond, Agonie und Verzweiflung und Hass in einem, und noch immer kamen sie und wir erschlugen und erstachen und schleuderten sie hinab. Manche sprangen brennend von ihren Leitern und wurden auf ihren eigenen Felsbrocken zerschmettert und andere wirbelten sich überschlagend durch die Luft, als ihre Sturmleitern brachen und ab knickten. Nicht einer legte eine Hand auf die Brustwehr der Zinnen und überlebte, aber noch immer wurden frische Sturmtruppen nach vorn geschickt und setzten den Angriff fort.
    Auch wir erlitten Verluste. Sie hatten Bogenschützen draußen in der Dunkelheit, und die Verteidiger mussten sich auf den Zinnen zeigen, um Leitern von der Mauer abzustoßen und zurückzuschießen. Verwundete wurden zum Verbandplatz in der unteren Galerie gebracht, ein paar Tote fortgetragen. Aber als die erste Angriffswelle zurückgeschlagen war und eine Kampfpause eintrat, löste die Priorin uns ab, und während schweigende Schwes tern unsere Plätze einnahmen, kehrten wir zu unserer Be reitschaftsstation auf dem Bergfried zurück. Hatten uns auf den Zinnen die Augen vom Rauch und der Hitze brennenden Pechs und Öls an den Mauern getränt, so biss uns jetzt der eisige Wind in die Gesichter und erzeugte die gleiche Wirkung. Ich blickte auf zu der dünnen Mond sichel, die kalt und geringschätzig in ihrem Sternenmeer glitzerte, und schluckte meine Verdrießlichkeit hinunter.
    Schritte kamen hinter uns die Treppe herauf. Die Prio rin und ihr Stab waren gekommen, um Ausschau zu halten. Sie beugten sich über die Brustwehren, um zu be obachten, was im Lager der Feinde vorging und ob beim nächsten Angriff eine Verlagerung des Schwerpunkts zu erwarten war. Die lange Adjutantin schüttelte den Kopf. »Aussichtslos«, bemerkte sie, und Merceda mochte ge nickt haben. Sie schien geistesabwesend. Vielleicht eine Abwehrreaktion, wie vor einigen Tagen, als sie mit versteinerter Miene an den weinenden Kindern im Flüchtlingszug vorbeigeritten war.
    »Ich erwartete mehr Raffinesse«, stimmte sie der ande ren zu. »Ich habe zur Göttin gebetet, dass sie ihn blenden möge, und sie hat es getan. Er muss glauben, dass unsere Verteidigungslinie hinter der Brustwehr sehr dünn besetzt ist, wenn er meint, sie mit einem Dutzend Sturmlei tern überwinden zu können. Wie viele Sturmtruppen, meinen Sie, kann er aufbieten?«
    »Dreibis viertausend, denke ich. Nicht annähernd genug. Bald wird er Schwierigkeiten

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