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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kenlock
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lenken, aber sie wollte von ihrer Seite nichts unversucht lassen, um den Jungen aus seiner selbst gewählten Isolation herauszuholen.
    „Steve ist sportlich“, erklärte sie. „Unser Coach baut gerade ein neues Junioren-Footballteam auf. Ich würde es für eine gute Idee halten, wenn sich Steve dafür interessieren könnte.“
    Sanders nickte zustimmend. Das Leben auf einer Farm konnte einsam sein. Es würde nicht schaden, wenn sein Sohn mehr mit Jungen seines Alters zusammenkam.
    Als er später das Gebäude verließ und über den Schulhof schritt, waren seine Gedanken bei seinen Söhnen, die nicht unterschiedlicher sein konnten, und er fragte sich, was das Leben für Billy und Steve bereithalten mochte.

    Die Scheinwerfer des verbeulten Lasters durchschnitten die Dunkelheit wie zwei bleiche Finger, die nach dem Himmel griffen. Robert Sanders hielt vor dem Wohnhaus, ohne den Wagen in der Scheune unterzustellen. Er stieg aus und umrundete den ausgetrockneten Brunnen in der Mitte des Hofs. Der Abendwind klapperte in den Holzschindeln des Farmhauses, das sein Urgroßvater vor über einhundert Jahren errichtet hatte.
    Noch immer beschäftigte den Farmer das Gespräch mit Steves Lehrerin, und so fiel ihm nicht auf, dass im Haus kein Licht brannte. Als er die Verandatür öffnete, blieb er verdutzt stehen.
    Warum ist alles dunkel?
    Es war kurz nach zehn Uhr abends. Normalerweise hockten seine Söhne um diese Uhrzeit vor dem Fernseher.
    Eine unnatürliche Stille lag über allem. Nicht einmal der Hund bellte. Beunruhigt riss er die Innentür auf und stürzte ins Haus. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen, aber dann entdeckte er Steve, der am Küchentisch saß.
    Sanders Hände tasteten nach dem Schalter. Die Lampe an der Decke warf ein schummriges Licht in den Raum.
    Steve bewegte sich nicht. Den Kopf in beide Hände gestützt, saß er schweigend da. Eine kalte Hand griff nach Robert Sanders Herz.
    Sam-Boy, der Labrador, inzwischen im hohen Hundealter, erhob sich aus einer Ecke und trottete heran. Seine raue Zunge leckte über Sanders Hand. Geistesabwesend erwiderte der Farmer die Begrüßung. Einen Moment lang blieb er stehen, dann ging er zu Steve hinüber, der nicht aufsah. Als er näher kam, hörte er das leise Schluchzen des Jungen. Steve weinte.
    „Was ist mit dir?“, fragte Sanders heiser. „Wo ist Billy?“
    Wortlos reichte ihm Steve einen Zettel, der mit Billys Handschrift bedeckt war.

    Lieber Steve, lieber Dad,
    ich bin gegangen. Wenn ihr diesen Brief lest, bin ich auf dem Weg nach Portland. Ich werde in die Armee eintreten, ich will zu den Marines. Das war schon immer mein Traum.
    Dad, ich weiß, dass du mich auf der Farm brauchst, aber bitte versteh’, dass ich gehen muss. Du hast mich immer wie einen eigenen Sohn behandelt und hast versucht, mir ein Zuhause zu geben, dafür danke ich dir, aber dies war nicht mein Zuhause und konnte es nie sein. Nicht seit Mom tot ist.
    Du wirst die Ernte im Herbst auch ohne mich einbringen. Steve ist groß genug und wird dir helfen.

    Lieber Steve, bitte sei nicht traurig, dass ich fortgegangen bin. Wenn du älter bist, wirst du mich verstehen. Bis dahin pass auf dich auf, kleiner Bruder.
    Billy

    Es sollten viele Jahre vergehen, bis sich Steves und Billys Wege erneut kreuzten. Robert Sanders sah seinen Stiefsohn nie wieder. Tief in seinem Inneren spürte er es, und so saß er neben Steve und weinte über seinen Verlust.

    „He, Steve“, tönte es vom Trainingsplatz herüber. „Wo willst du hin? Gleich ist Training.“
    Steve lächelte und winkte Joseph Brown, einem hochgewachsenen, farbigen Verteidiger zu. „Heute nicht, Joe. Keine Chance.“
    „Der Coach bringt dich um“, grinste der andere zurück.
    Steve legte verschwörerisch einen Zeigefinger über die Lippen und beschleunigte seine Gangart. Auf keinen Fall wollte er Luke Kapinksy, dem Trainer des Football-Teams, begegnen.
    Er war mit Eve Turner, dem seiner Meinung nach hübschesten Mädchen auf dem Campus verabredet. Während er an sie dachte, überzog ein Lächeln sein Gesicht. Er war neunzehn Jahre alt, und das Leben war herrlich.
    Beschwingt überquerte er den Rasen vor der Bibliothek und hielt auf das Wohnheim zu.
    Viele Mädchen nutzten das schöne Wetter und sonnten sich auf den Grünflächen. Als Steve an ihnen vorbeiging, folgten ihm die Blicke. Fast einen Meter achtzig groß, athletisch, mit schmalen Hüften und breiten Schultern, war er einer der meist

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