Dunkles Feuer
mich kennen solltest.«
»Ich kenne nur ein Bild von dir.«
»Darum bin ich hier. Als ein Mensch, als der Mann, der dich liebt und dich bittet, ihm eine Chance zu geben und ihn kennen zu lernen. Du wirst erkennen, Julie, dass deine Träume dich nicht getäuscht haben. Und auch ich möchte dich und deine Welt kennen lernen, Julie. Und ich möchte deine Erlaubnis haben, bei dir zu sein. Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich dich bei deiner Arbeit beobachtet habe und mich danach gesehnt habe, dich zu berühren, mit dir zu sprechen und dir zu helfen.« Er lächelte verträumt. »Wie oft habe ich zugesehen, wie diese kleine Falte zwischen deinen Augenbrauen entstanden ist, während du versucht hast, herauszufinden, aus welche Epoche ein bestimmtes Stück stammte, oder du dich gefragt hast, wo du schon wieder deinen Notizblock gelassen hast; doch ich habe mich nicht getraut, weil ich dir keine Angst einjagen wollte. Wie oft habe ich Peter oder Daniel beneidet, weil sie mit dir zusammen sein konnten und ich nicht.«
»Daniel«, Julie wurde hellhörig. »Du hast doch nicht etwa ...«
»Was?«
»Nein, vergiss es, es war dumm von mir. Die Leute haben eben geredet.«
»Oh, du meinst, dass das Gespenst immer für alles verantwortlich ist, was hier passiert. Ich weiß, es ist nicht dasselbe, aber früher haben die Menschen mir auch jede Missernte in die Schuhe geschoben. Es war ein Unfall - tragisch, aber nicht übernatürlich.«
»Ja, ich weiß.«
»Es tut mir leid, dass ich so traurige Erinnerungen in dir geweckt habe, das wollte ich nicht.« Er streichelte ihre Wange. »Ich möchte dich niemals traurig machen oder dir wehtun, Julie.«
Sie zwang sich zu einem fröhlicheren Ton. »Du hast mir noch gar nicht erzählt, wieso es dich überhaupt gibt.«
»Das ist eine andere traurige Geschichte.«
»Ich glaube, ich habe darüber gelesen.«
»In der Geschichtschronik, ich weiß.«
»Sie war aber nicht vollständig.«
»Es fehlte nicht mehr viel. Ihr Name war Elisabeth, ich liebte sie von ganzem Herzen, durch sie hatte ich erst erfahren, was dieses Wort überhaupt bedeutet.« Er verstummte. Er hatte noch niemals mit irgendjemandem darüber geredet. Er hatte seit Jahrhunderten nicht einmal mehr ihren Namen laut ausgesprochen.
Als Julie ihn so von ihr sprechen hörte, verspürte sie einen Stich der Eifersucht. Doch er sprach nicht weiter. Er biss sich auf den Fingerknöchel, um seiner Emotionen Herr zu werden. »Es war ein unglückseliges Missverständnis, eine grausame Ironie des Schicksals. Bitte, Julie, ich habe noch nie darüber geredet. Irgendwann werde ich es dir erzählen, das verspreche ich, doch nicht jetzt.«
Er erhob sich und ging zum Fenster. Julie folgte ihm und schmiegte sich von hinten an ihn.
»Es tut mir leid, ich wollte dir auch keinen Schmerz bereiten.«
Er tätschelte ihre Hand. »Ist schon gut.« Er drehte sich um und schlang einen Arm um ihre Taille. »Was meinst du, sollen wir nach oben gehen, und ich helfe dir ein wenig bei deinen rätselhaften Fundstücken?«
Lächelnd willigte Julie ein, und Hand in Hand gingen sie die Treppe hinauf.
»Ich bin wieder da!« Laut hallte Peters Stimme durch das Gebäude. Er war überrascht, dass Julie nicht schon längst auf ihn wartete, da es in der Stadt länger gedauert hatte, als er erwartet hatte. Als er die Einkäufe in den Schränken verstaute, bemerkte er sofort die zwei Kaffeetassen auf dem Tisch. Einige Augenblicke später kam auch Julie herein. »Oh, Peter, du bist schon da? So früh habe ich dich gar nicht zurück erwartet.« Als sie seinen verdutzten Gesichtsausdruck bemerkte, schaute sie auf ihre Armbanduhr. »Oh, du meine Güte, so spät ist es schon!« entfuhr es ihr überrascht. »Ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit verflogen ist.«
»Was hast du denn gemacht?« fragte Peter etwas verstimmt darüber, dass sie seine Abwesenheit scheinbar gar nicht bemerkt hatte.
»Ich habe gute Fortschritte gemacht. Ich konnte viele unserer Problemfälle lösen.«
»Wie denn das?«
Sie lächelte. »Ich muss wohl eine Eingebung gehabt haben.« Julie musste sich zusammenreißen, um nicht übers ganze Gesicht zu grinsen. Es war ein traumhafter Vormittag gewesen, die Realität war noch viel schöner als ihre Träume, weil alles echt und real war. Sie konnte jeden Augenblick davon genießen, ohne Angst zu haben, sich in ihrer Fantasiewelt zu verlieren. Am liebsten hätte sie ihre Freude mit Peter geteilt, doch sie spürte, dass er es nicht verstehen würde. Außerdem war es
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