Dunkles Feuer
*
Wahrscheinlich zum zehnten Mal an diesem Morgen schaute Frederik in den Spiegel und zupfte sein Jackett zurecht. So nervös hatte er sich in seinem ganzen Leben noch nie gefühlt. Aber andererseits hatte er wohl auch noch nie ein so entscheidendes Gespräch vor sich gehabt.
Er räusperte sich, atmete einmal tief durch und öffnete die Tür.
Es war noch sehr früh, und er hoffte, mit dem Grafen, der am Tag zuvor angekommen war, noch vor dem Frühstück sprechen zu können. An Elisabeths Tür hielt er einen Augenblick lang inne und überlegte, ob er kurz bei ihr vorbeischauen sollte. Er entschied sich jedoch dagegen - nicht, ohne die offizielle Erlaubnis des Vaters, jetzt, wo dieser endlich zurückgekehrt war.
Unten traf er einige Bedienstete an, die gerade den Tisch deckten. Er erkundigte sich, wo er den Grafen finden könnte, und erfuhr, dass der Graf mit seiner Tochter gerade einen Spaziergang machte.
Und er hatte sich eingebildet, er wäre früh auf gewesen.
Frederik setzte sich in einen Sessel und nahm sich ein Buch zur Hand. Er hasste Warten. Vor allem, wenn es um etwas so Wichtiges wie seine Zukunft ging.
Immer und immer wieder las er die gleiche Stelle im Buch, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, worum es sich handelte. Schließlich gab er den fruchtlosen Versuch, sich damit die Zeit zu verkürzen, auf und stellte sich ans Fenster. Nicht, dass er wirklich daran glaubte, dass der Graf Bedenken oder Einwände haben könnte. Doch auf einmal war er sich seiner Sache doch nicht mehr so ganz sicher. Eine schlaflose Nacht konnte schon vieles dazu beitragen, auch das stärkste Selbstbewusstsein zu untergraben. Immerhin hatte er einen gewissen Ruf erworben und auch für einige Skandale gesorgt. Vielleicht sah der Graf in ihm ja doch nicht den idealen Gatten für seine einzige Tochter.
Frederik seufzte, wenn er es doch nur schon hinter sich hätte.
Als er Elisabeths helle Figur aus dem Park auftauchen sah, entfernte er sich vom Fenster und versuchte, sich lässig in den Sessel zu setzen.
Er musste nicht lange auf sie warten. Schon hörte er ihre Stimmen in der Eingangshalle, und im nächsten Moment kamen der Graf und seine Tochter erfrischt und fröhlich zurück. Elisabeth musste ihm etwas Amüsantes erzählt haben, denn der Graf lachte schallend auf.
Sie beiden schienen sehr froh zu sein, einander wieder zu sehen, Frederik freute sich sehr für sie. Ein so harmonisches Familienleben hatte er selbst leider nie erlebt.
Als der Graf Frederik bemerkte, ging er auf ihn zu und schüttelte ihm freundlich die Hand.
»Guten Morgen, Frederik. Schön, dass Ihr schon auf seid.« Er warf einen kurzen Blick ins Esszimmer. »Oh, ich glaube, wir können auch schon direkt zum Frühstück gehen.«
Frederik räusperte sich. »Könnte ich vielleicht kurz mit Euch sprechen, Graf Lerouge?« Elisabeth zwinkerte ihm aufmunternd zu.
Der Graf lächelte gutmütig. »Das hat doch bestimmt auch bis nach dem Frühstück Zeit, oder, mein lieber Frederik?«
»Aber natürlich.« Ergeben neigte Frederik den Kopf.
Frederik konnte nicht viel essen, was ihm belustigte Blicke von Elisabeth einbrachte. Sie schien sich ohnehin köstlich über seine Nervosität zu amüsieren. Einmal stieß sie ihn sogar leicht mit dem Fuß an, um den seinen am Tippeln zu hindern.
Sie schien überhaupt keine Bedenken zu haben. Vielleicht hätte das Frederik eine Beruhigung sein sollen, doch so langsam ärgerte er sich über ihre Selbstsicherheit. Zwischendurch hatte er sogar das Gefühl, dass sie bereits alles mit ihrem Vater abgesprochen hatte.
Er malte sich aus, was er zur Rache alles machen und sagen würde, wenn sie endlich mal wieder allein waren. Er war viel zu zahm geworden, es wurde langsam mal Zeit, ihr einige von ihren Neckereien zurückzu geben.
Doch zuerst brauchte er noch die Genehmigung ihres Vaters, erinnerte er sich. Und er merkte, wie sein Bein wieder zu zucken anfing.
Glücklicherweise hatten Elisabeth und ihr Vater sich gegenseitig soviel zu erzählen, dass er sich kaum am Gespräch beteiligen musste. Doch dadurch zog sich das Mahl immer mehr in die Länge.
Schließlich hatte Elisabeth Erbarmen mit ihm und hob die Tafel auf. Der Graf erhob sich ebenfalls. Dann fiel ihm etwas ein, und er setzte sich wieder. »Ihr wolltet etwas mit mir besprechen, Frederik?«
Frederik sah ihn entgeistert an. Sollte er etwa umgeben von leeren Tellern und Essensresten um Elisabeths Hand anhalten? »Vielleicht können wir uns in der Bibliothek ungestörter
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