Dunkles Universum 1 - Aguirre, A: Dunkles Universum 1 - Sirantha Jax 1. Grimspace
fassen, was für eine wunderschöne Kopfform sich die ganze Zeit unter diesen Haaren versteckt hat.«
Ich weiß genau, dass er nur solche Scheiße faselt, damit ich mich beruhige und keinen Anfall kriege, aber es hilft. »Quatsch du nur.«
Marsch schüttelt den Kopf, die Miene sachlich wie die eines Rechtsanwalts. »Nein, im Ernst. Ich glaube, so bist du sogar noch schöner.«
Meine Augen werden zu Schlitzen, und ich verkralle die Hand in seinem Hemd.
»Rede ich zu viel?«
»Allerdings.«
Unsere Finger verschränken sich, dann zieht Marsch mich mit zu den anderen. In der Dunkelheit vor uns glitzern die Lichter von Maha City. Feuerrot und Silber fließen ineinander wie in einem Gemälde. Schade nur, dass wir nicht betrunken sind, sonst könnten wir den Anblick würdigen.
»Und, wer bist du jetzt, Jax?« Marsch lächelt, und ich sehe, wie seine Zähne im Mondlicht schimmern. Will mich wohl ein bisschen ärgern, aber er wird seine Quittung schon noch kriegen. »Mein kleiner Bruder?«
Ich zucke betont beiläufig mit den Schultern. »Darüber würde ich mir an deiner Stelle noch die wenigsten Sorgen machen.«
Er fährt mit dem Daumen über meinen Zeigefinger, zärtlich, vertraut. »Über was dann?«
»Jemand zu sein, der seinen kleinen Bruder vögeln will.«
Zum ersten Mal behalte ich in einem Gespräch mit Marsch das letzte Wort.
46
Uns geht das Geld aus.
Auf Gehenna habe ich genug verdient, aber die Währungen von Welten der äußeren Arme sind auf Planeten, die zum Konglomerat gehören, nichts wert. Keri könnte uns was schicken, schließlich wird Lachion offiziell vom Konzern kontrolliert, aber das würde sie mit uns in Verbindung bringen, und das wollen wir vermeiden. Immerhin werden wir gesucht, und wenn jemand dahinterkommt, dass sie uns finanziell unterstützt, wäre es ihr Ende. Ich habe keine Ahnung, wie wir es nach New Boston schaffen oder auch nur eine Bleibe für die Nacht bezahlen sollen.
Wir können auch keine öffentlichen Transportmittel benutzen, weil ich keine registrierten Bahnhöfe betreten kann. Ich müsste unter falscher Identität reisen, doch um sich eine solche zu besorgen, braucht man Geld und auch Kontakte. Wir kennen hier niemanden außer meinen Eltern, und die kann ich nicht um Hilfe bitten. Wenn sie überhaupt noch leben, schämen sie sich in Grund und Boden für das, was aus mir geworden ist, und streiten wahrscheinlich vor jedermann vehement ab, mit mir verwandt zu sein. Ich bemerke erst, wie sehr ich die Stirn in Falten ziehen, als Marsch sie mit den Daumen glattstreicht.
»Uns wird schon was einfallen«, versucht er mich mit leiser Stimme zu beruhigen.
Maha City besteht aus konzentrischen Ringen. In der Mitte die schicke Innenstadt mit dem Geschäftsviertel, Metropolitan Museum und Verwaltungsbezirk. So viel weiß ich aus der Holo-Projektion, die 245 mir gezeigt hat, aber was ich nicht gecheckt habe und was ich jetzt checke, ist, dass es immer schlimmer wird, je weiter man vom Zentrum entfernt ist.
Wir kommen durch eine illegale Barackensiedlung, überall stehen aus Metallschrott und anderem Abfall zusammengezimmerte Bruchbuden. Auf der Straße sitzt ein Hund, der uns mit unheilvollem Blick anstarrt, und als wir an ihm vorbeigehen, fletscht er knurrend die Zähne. Die herumstehenden Fahrzeuge scheinen ebenfalls nur noch Schrott zu sein, nichts als liegen gebliebene Rosthaufen, und als wir in eines hineinspähen, stören wir eine Familie beim Schlafen.
»Ich würde lieber außerhalb der Stadt im Freien schlafen, als mir hier ein Zimmer zu nehmen.« Dieses eine Mal spricht Dina für uns alle.
»Ich dachte, der Konzern bringt Wohlstand für alle?« Ich spüre eine Gänsehaut im Nacken, so als würden wir beobachtet. Je weiter wir uns in diesen Abfallhaufen von einer Stadt wagen, desto froher bin ich, dass ich dank meiner Statur – und vor allem der Glatze – aussehe wie ein Junge. Auch wenn das die Festentschlossenen nicht abhalten wird.
»Nur in den Werbespots«, antwortet mir Marsch.
Ich gähne so sehr, dass mir beinahe der Kiefer aus dem Gelenk springt, und meine Augen werden wässrig, aber wir können erst rasten, wenn wir ein sicheres Fleckchen gefunden haben.
Der Mond hängt über uns, gelb und schwer wie eine überreife Honigmelone, und ergießt sein öliges Licht über die Dächer der Wellblechhütten, während wir uns weiterschleppen, bis die Straßen endlich heller werden. Niedrige Gebäude säumen mehr und mehr unseren Weg, Bordelle und billige
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