Durch den Sommerregen
lesen und ich werde immer besser.“
Mila liegt vor uns auf einer Decke und ist völlig fasziniert von ihrer roten Socke, die sie sich immer wieder mit größter Konzentration vom Fuß zieht.
„Wie funktioniert das eigentlich, mit dem Baby und dem Schreiben? Viele Autorinnen haben dann ja erst mal einen Einbruch in ihrem Schreibfluss und können für lange Zeit gar nicht mehr schreiben.“
Emma sieht mich erstaunt an. „Wirklich? Bei mir läuft es jetzt noch besser als vorher. Ich hatte noch nie so viele Ideen und eine so große Motivation.“
„Das ist es, was ich von einigen Autorinnen gehört habe, die nach den Lesungen bei uns noch einige, zugegeben sehr neugierige, Fragen beantwortet haben.“
Mit einem Seufzen streift Emma Mila erneut ihre Socke über.
„Ich kann das nachvollziehen“, sagt sie nach einem Moment der Überlegung. „Die ersten Tage und Wochen waren schon sehr anstrengend und richtig viel geschrieben habe ich da auch nicht. Es ist eine riesige Umstellung, auf einmal einen kleinen Menschen zu haben, der permanente Aufmerksamkeit fordert. Gerade wenn man kreativ arbeitet, saugt einem das wirklich jede Fantasie ab, weil du auf einmal auf viele Dinge gleichzeitig konzentriert bist. Aber ich bin ja nicht allein. Sam sieht seine Aufgabe nicht nur darin, mich zu entlasten, sondern übernimmt praktisch genauso viel Arbeit wie ich. Auch wenn er Vollzeit im Shop ist, sobald er Zuhause ist, fängt meine Arbeitszeit an. Mit diesem Mann habe ich einen riesigen Glückgriff gelandet, soviel kann ich dir verraten. Es ist nicht so, dass wir nicht auch aneinander geraten, aber gerade was den Alltag angeht, sind wir gut eingespielt. Ich muss ihn nicht auffordern, den Müll rauszubringen oder sich eventuell mal darum zu bemühen unser Kind zu wickeln, bevor wir Gasmasken brauchen. Was man von manchen Männern hört, ist wirklich ein Albtraum. Gerade wenn ein Kind kommt, dann schaffen sie noch ihren Job und brechen Daheim völlig in sich zusammen. Da muss wiederholt um jede Banalität gebettelt werden, bis der Herr des Hauses sich mal um deren Erledigung bemüht. Und das ist unabhängig davon, ob die Frau auch arbeitet oder mit Kind Zuhause ist. Wenn man nur als Paar zusammenlebt, dann kann man gewisse Dinge einfach ignorieren. Aber sobald Kinder da sind, will man ja auch nicht, dass sie unter dem Chaos der fehlenden männlichen Eigeninitiative leiden müssen.“ Emma scheint sich regelrecht in Rage geredet zu haben.
All das klingt exakt nach dem Leben, wie ich es mit Sebastian gehabt hätte, wenn wir ein Kind bekommen hätten.
„Ich sehe das auch so, nur manchmal scheint es, als befänden wir uns in einer Generation aus verzogenen und unselbstständigen Weicheiern. Sie sehen Haushalt und Kinder einfach nicht als ihre Aufgabe und wollen natürlich für jeden kleinen Beitrag einen großen Applaus.“
„Du hast auch deine Erfahrungen auf dem Gebiet?“, fragt sie mit einem Zwinkern.
„Oh ja, acht Jahre davon. Nie wieder einen solchen Kerl, das kann ich dir versichern.“
„Und was ist mit Gabriel?“
Die Frage überrascht mich, denn ich hab Emma nicht für eine neugierige Person gehalten.
„Das weiß ich nicht. Er ist toll, doch das sind sie zu Beginn alle. Wir haben eine gute Zeit, aber ich weiß nicht, ob es von Dauer ist.“
Emmas Miene verfinstert sich.
„Gabriel sieht das anders, soviel kann ich dir versichern.“
Genau das habe ich befürchtet.
Ein Anruf meiner Mutter rettet mich vor einer Reaktion auf diese Aussage. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal erleichtert war, ihren Namen auf dem Display zu lesen.
Emma hat sich vor einer halben Stunde verabschiedet und mich in der Stille meiner Wohnung zurückgelassen.
Mit jedem Tag, den ich in Gabriels Haus verbringe, werden mir meine eigenen vier Wände fremder.
Ich hatte nie besonders viel Liebe für diese Wohnung übrig, sie war eigentlich nur eine Notlösung in einer sehr unglücklichen Zeit, aber jetzt wird sie immer kälter.
Für den heutigen Tag waren wir nicht wirklich verabredet. Ich weiß, dass Gabriel Zuhause ist und ich weiß auch, dass ich keine Einladung brauche, um ihn zu sehen. Trotzdem muss ich mir erst selbst einen kleinen Schubs geben, um ihn zu überraschen.
Nur Gabriels Bus steht auf dem Hof, seine Mutter scheint unterwegs zu sein. Mein Auto stelle ich neben der Haustür ab. Beinahe hätte ich Hund überfahren, der völlig verwirrt von einer Ecke des Grundstücks zur anderen läuft. Sobald ich die
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