Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort
jetzt auch, ein bißchen zu schlafen.«
»Du versuchst zu schlafen?«
»Nein, nein . ich nehme eine Tablette.«
»An so was darfst du dich gar nicht erst gewöhnen.«
»Dazu besteht auch nicht die geringste Gefahr.«
Cecilie blickte auf.
»Ich wüßte zu gern, warum wir so erschaffen sind, daß wir schlafen müssen.«
»Im Schlaf ruhen wir uns aus. Es gibt Leute, die sogar behaupten, wir müßten auch träumen.«
»Warum?«
Ihre Mutter holte tief Luft und stieß sie laut hörbar wieder aus.
»Ich weiß es nicht.«
»Aber ich glaube, ich weiß selbst die Antwort.«
»So?«
»Ich glaube, wir müssen träumen, weil wir uns wegträumen müssen.«
»Du machst dir ja seltsame Gedanken, Cecilie.«
»Vielen Menschen geht es so schlecht, daß sie vielleicht vor Kummer sterben würden, wenn sie nicht ab und zu in all ihrem Elend etwas Lustiges träumen könnten.«
Cecilies Mutter wusch ihr mit einem nassen Lappen das Gesicht und zog ihr ein sauberes Nachthemd an.
»Mach dir keine Sorgen, daß ich so schlapp bin. Ich glaube, ich bin trotzdem schon etwas gesünder.«
»Ja, vielleicht ...«
»Meint Kristine das nicht auch?«
Ihre Mutter wich aus:
»Sie sagt, wir müssen abwarten.«
»Vielleicht kann ich morgen ein bißchen aufstehen. Zum Kaffee zum Beispiel ...«
»Das können wir morgen noch entscheiden.«
»Aber ich will bald die neuen Skier ausprobieren. Das hast du versprochen!«
»Die stehen ja bereit. Und du kannst jederzeit klingeln - auch, wenn nur jemand bei dir sitzen und mit dir reden soll. Papa kommt bald und setzt sich zu dir.«
»Das braucht er doch nicht.«
»Aber wir möchten es gern.«
»Du darfst nur keinen Schock kriegen, wenn du hörst, daß ich Selbstgespräche führe.«
»Machst du das denn manchmal?«
Cecilie blickte wieder zu ihr hoch.
»Ich weiß nicht.«
Ihre Mutter legte die Arme um sie und drückte sie an sich.
»Du bist die allerfeinste Kleine auf der ganzen Welt«, sagte sie. »Ohne dich wäre die Welt öd und leer.«
Cecilie lächelte.
»Das war ja ein feierlicher Gute-Nacht-Gruß.«
Sie schlief fast im selben Moment ein, in dem ihre Mutter das Zimmer verließ. Nach einer Weile wurde sie davon wach, daß etwas gegen die Fensterscheibe klopfte. Sie öffnete die Augen und sah hinter dem Fenster Ariels Gesicht. Im gelben Licht der Gartenlampe oben im Baum sah er aus wie ein russischer Goldengel, den sie mal in der »Illustrierten Wissenschaft« gesehen hatte. Oder hatte das Bild das Jesuskind dargestellt?
Er winkte mit einer Hand, dann schwebte er durch das Fenster und stand vor dem Schreibtisch auf dem Boden. Die Fensterscheibe war unversehrt.
Cecilie machte große Augen.
»Wir haben zwar soviel darüber geredet, aber ich habe noch immer nicht kapiert, wie du das schaffst.«
Ariel setzte sich auf den Stuhl. Gut, daß ihr Vater noch nicht kam.
»Das ist auch nicht so wichtig«, sagte Ariel. »Und deshalb brauchen wir nicht darüber zu reden.«
Cecilie setzte sich im Bett auf und streckte auf der Decke ein Bein aus.
»Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?« fragte sie.
»Du hattest doch auch so genug Besuch«, erwiderte er.
Cecilie nickte.
»Warst du deshalb so lange nicht mehr hier?«
Die Frage beantwortete Ariel nicht.
»Es ist fast schon Vollmond«, behauptete er. »Draußen ist eine Art Vierteltag, wenn das Mondlicht über die schneebedeckte Landschaft flutet.«
»Herrlich! Ich würde so gern den Mond draußen mit eigenen Augen sehen!«
»Kannst du das denn nicht?«
»Ich bin schon viel gesünder ...«
»Spitze! Wurde auch langsam langweilig, daß du immer nur so schwach warst.«
»Darf ich denn?«
Der Engel Ariel hob vom Stuhl ab und umschwebte Schlitten und Skier.
»Deine Eltern erlauben es dir natürlich nicht, mitten in der Nacht nach draußen zu gehen.«
»Aber du erlaubst es mir?«
Er nickte geheimnisvoll. Cecilie hatte schon die Decke beiseite geworfen.
»Wenn die Engel im Himmel etwas erlauben, spielt es keine Rolle, was die anderen sagen. Außerdem schläft das ganze Haus.«
»Also gut, machen wir einen kleinen Ausflug. Aber du mußt dich warm anziehen, daß du nicht in einen einzigen großen Pfefferminzklumpen verwandelt wirst.«
Cecilie stand aus ihrem Bett auf. Sie stand ganz sicher auf dem Boden. Ihr war kein bißchen schwindlig.
»Ich will die neuen Skier ausprobieren«, sagte sie.
Gleich darauf stand sie vor dem Kleiderschrank. Schon Anfang November hatte sie nachgesehen, ob auch alle Winterkleider vollzählig waren. Sie
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