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Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort

Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort

Titel: Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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konnte dich sehen, als du dich dorthin zurückgeträumt hast. Darüber haben wir ja schon gesprochen.«
    »Meinst du, draußen im Universum wimmelt es nur so von Engeln?«
    »Das kann ich dir sagen. Du meinst doch nicht, Gott hat so ein großes Universum ganz ohne Grund erschaffen? Weil wir Engel weder frieren noch uns verbrennen, können wir uns auf absolut sämtlichen Himmelskörpern aufhalten. Aber nur hier auf der Erde ist es für Menschen aus Fleisch und Blut ungefähr warm oder kalt genug. An allen anderen Orten wäre es entweder zu warm oder zu kalt. Wenn die Welt nur ein wenig näher zur Sonne hin läge, wäre das Leben für Menschenfleisch und Menschenblut hier unerträglich. Und wenn die Erde näher zum Pluto läge, würdet ihr im Nu zu Eisstatuen gefrieren.«
    Der Engel drehte eine kleine Runde durch die Luft, schwebte aber bald wieder einen knappen halben Meter vor Cecilie.
    »Warst du schon mal auf dem Mond?« fragte sie.
    Sofort antwortete er:
    »Da tanze ich Ballett.«
    »Auf dem Mond?«
    Er nickte.
    »Es war ziemlich lustig, als die ersten Menschen gelandet sind. Wir waren mit einer ganzen Bande da oben, weißt du. Aber weder Armstrong noch die anderen konnten uns sehen. Sie dachten, sie seien völlig allein. Und sie waren so stolz, denn sie hielten sich für die ersten Besucher auf dem Mond . Weißt du, was Armstrong gesagt hat, als er das Landefahrzeug verließ?«
    »>Ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer Schritt für die Menschheit««, sagte Cecilie.
    »Genau!«
    Cecilie fühlte sich als Vertreterin der Menschheit etwas verärgert, daß die Engel die ersten Raumfahrer ausspioniert hatten, die sich ganz allein auf dem Mond wähnten.
    »Darüber würde ich gern in der Zeitung schreiben. >Neueste Nachrichten: Auf dem Mond wimmelt es von Engeln. Neue Radaranlagen entlarven altes Geheimnis.««
    Ariel lachte.
    »Aber du hast vielleicht noch nie von Asteroiden gehört?«
    Cecilie freute sich, auf dem Gebiet kannte sie sich nämlich aus. Sie hatte mehr über den Weltraum gelesen als die meisten andern in ihrem Alter. Schließlich hatte sie sich während ihrer Krankheit durch den dicken Stapel der »Illustrierten Wissenschaft« hindurchgewühlt.
    »Doch, sicher«, antwortete sie. »Das sind winzige Planeten, die sich um die Sonne drehen. Aber es gibt so viele und sie sind so klein, daß sie keine richtigen Namen bekommen haben. Viele haben einfach nur Nummern.«
    Ariel klatschte in die Hände.
    »Bravo! Du weißt also mehr über die himmlische Herrlichkeit, als du gedacht hättest. Wenn ich ganz allein sein will - sagen wir, für fünfzig oder hundert Jahre -, dann setze ich mich gern auf einen kleinen Asteroiden. Denn es gibt zwar viele Engel im Himmel, aber es gibt noch mehr Asteroiden. Und nach einer nervenaufreibenden Diskussion unter Engeln an einem großen Versammlungsort kann es dann sehr beruhigend sein, auf einem winzigen Planeten herumzuschlendern. Manchmal spiele ich Himmel und Hölle und springe von Asteroid zu Asteroid. Das ist wirklich toll!«
    Für Cecilie hörte sich das alles viel zu einfach an.
    »Ich glaube, du lügst«, sagte sie.
    Sie blickte in die blaugrünen Saphiraugen, schlug den Blick aber gleich wieder nieder, weil sie eine dermaßen schlimme Anklage vorgebracht hatte.
    »Pech gehabt«, sagte Ariel. »Engel lügen nicht, also glaubst du nicht, daß ich einer bin.«
    »Erzähl weiter«, antwortete Cecilie mürrisch.
    Er sagte:
    »Am lustigsten finde ich jedoch, auf einem Kometen zu sitzen.«
    »Auf einem Kometen?«
    »Zum Beispiel auf dem Halleyschen, ja. Der kreist in 76 Jahren einmal um die Sonne. Aber seine Bahn zieht sich so weit durch den Weltraum, daß er rasend schnell ist. Der Unterschied ist nur, daß du nicht wieder nach oben zu klettern brauchst, wenn du noch mal rutschen willst.«
    Cecilie schüttelte den Kopf. »So was«, sagte sie. »Das würde ich auch gern mal machen. Aber ich wußte gar nicht, daß Engel so verspielt sind.«
    Der Engel Ariel schaute ihr tief in die Augen.
    »Ich habe doch gesagt, Gott hat Adam und Eva erschaffen, damit jemand zwischen den vielen Bäumen herumspringen und in dem großen Garten Verstecken spielen konnte. Es bringt nichts, einen Garten zu erschaffen, wenn es keine Kinder gibt, die darin spielen können.«
    Cecilie nickte, und Ariel fuhr fort:
    »Es bringt auch nichts, einen großen Wohnraum mit Milliarden von Sternen und Planeten, Monden und Asteroiden zu haben, wenn es keine Engel gibt, die die ganze Herrlichkeit

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