Durst: Thriller (German Edition)
kleinen Brüsten. » Matheus, hör auf, mich zu verarschen. Was ist los? «
» Cássia, bitte. «
» Nein, ich möchte es wissen. Du bist total abwesend, selbst im Bett. Wo bist du? Wo warst du in den letzten zwei Stunden? Hier bei mir jedenfalls nicht. «
» Was soll denn das? «
» Hör zu, Braga. Solche Dinge merkt man sofort. Es ist wegen Sarah Clarice, nicht wahr? «
» Aber was redest du denn da? «
» Sag’s. « Cássia wurde lauter als gewöhnlich. » Sag’s bitte, Matty. « Jetzt brach ihre Stimme fast.
» Hör doch auf damit. «
» Ich hab’s begriffen, das ist doch offensichtlich. Diese Frau ist absolut überwältigend. Als ich sie heute Morgen sah, hat mich fast der Schlag getroffen. Billy Cosimato war nicht mehr zurechnungsfähig, und selbst mein Vater hat mich später gefragt, wer denn die Göttin in meinem Büro war. Und du willst mir weismachen, dass sie dir gleichgültig ist? Für wen hältst du dich, verdammt? Für Gandhi? Bleib mir doch weg. «
Cássia drehte sich auf der Stelle um, sammelte ihre Kleider vom Boden auf und verschwand im Wohnzimmer. Matheus erhob sich vom Klodeckel. » Sag mal, was denkst du eigentlich von mir? « , rief er ihr hinterher. » Nur weil eine Frau schön ist, soll ich sofort den Kopf verlieren? «
Cássia drehte sich um. » Klar, warum nicht? «
» Warum nicht? Diese Geschichte lässt mir einfach keine Ruhe, verdammt. Das ist alles so unbegreiflich. Warum musste Nelson sterben? Und warum taucht plötzlich Ulisses wieder aus der Versenkung auf? «
» Nun, mein Lieber, du hast eine Familie, auch wenn du dein Leben lang so getan hast, als wärst du allein auf der Welt. Du Armer! Und versuch bloß nicht, mir etwas vorzumachen. Du wechselst einfach das Thema, wie immer, aber jetzt geht es um Sarah Clarice– was für ein absurder Name überhaupt. Ich hatte mir eine trostlose Vegetarierin vorgestellt mit einer Ökoaktivistenbrille auf der Nase, und dann tauchst du plötzlich mit Sophia Loren hier auf! Du bist doch paranoid, Cássia!, habe ich mir die ganze Zeit eingeredet. Sei doch nicht so paranoid! Ich wäre dir aber wirklich dankbar, wenn du es wenigstens zugeben würdest. «
Matheus schaute sie wütend an. » Du bist doch übergeschnappt. Ich verschwinde lieber. «
» Er verschwindet lieber, ja klar! Das ist das Einzige, was du kannst: dich vom Acker machen. Dein ganzes Leben lang hast du nichts anderes getan. Leider bringt das auf Dauer nichts. Jetzt kommen die Gespenster deiner Familie und stören dich nachts im Schlaf. Ist doch so, oder? «
Matheus zog seine Jeans und sein Hemd an, nahm Jackett und Portemonnaie und war im nächsten Moment verschwunden.
Cássia stand da, immer noch nackt, und schaute auf die Wohnungstür. Am liebsten hätte sie geweint. Irgendwie musste sie aber auch lachen. Zumindest in dieser Hinsicht konnte man sich auf ihn verlassen: Wenn er ankündigte, er würde verschwinden, dann verschwand er auch.
35
An diesem Morgen machte sich Carlo Apostolo einen starken Kaffee. Aus dem winzigen Küchenfenster konnte man ein Stück vom Meer sehen. Als er die Wohnung vor ein paar Jahren gemietet hatte, war ihm alles daran großartig vorgekommen, aber dieses Stück Meer hatte eine ganz besondere Saite in ihm berührt. Jetzt betrachtete er es mit einem undefinierbaren Gefühl.
Er trug den Kaffee ins Wohnzimmer und ging ins Internet. Harte Daten hatte er nicht viele, aber für einen ersten Einstieg hatte ihm Floriana genug erzählt. 2001 war es gewesen, im Bundesstaat Paraná, und die Namen wusste er auch. Er begann seine Recherche, indem er alle möglichen Stichworte eintippte, aber nach einer Stunde hatte er so gut wie nichts gefunden. Er ging duschen und kochte sich noch einen Kaffee. Anschließend verließ er die Wohnung und machte einen Spaziergang an der Promenade von Copacabana. Der Strand war fast leer, die Temperaturen angenehm. Er ging bis zur Festung und setzte sich auf eine Bank, um nachzudenken. Zehn Minuten später stand er wieder auf. Ihm war eine Idee gekommen.
Vor ein oder zwei Jahren hatte er an einer Pressekonferenz der MST teilgenommen, der brasilianischen Landlosenbewegung. Dort war auch ein Anwalt aus Curitiba gewesen, Lirio Fabbri, wenn er sich recht entsann, ein kräftiger Typ mit schütterem Bart und hellen Augen. Er vertrat Bauern, die in Agrarkonflikte verwickelt waren, und hatte schon etliche Todesdrohungen erhalten. Irgendwo müsste noch seine Visitenkarte sein. Schnell kehrte Carlo nach Hause zurück und wurde
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