Durst: Thriller (German Edition)
Clarice fiel auf, dass Sandra ihren Schwager anschaute, als erwartete sie irgendetwas von ihm.
» Ich bin mir sicher, dass es eine Erklärung gibt « , wiederholte Matheus. » Du wirst schon sehen, Sandra. Kopf hoch. Nelson ist nicht der Typ, der sich so schnell etwas gefallen lässt… «
Sandra war aber nicht überzeugt. Sie wandte sich an Sarah Clarice. » Ist es möglich, dass sein Verschwinden mit eurem Projekt am Staudamm zu tun hat? « Sie putzte sich die Nase.
Sarah Clarice wirkte überrascht. » Oh Gott. « Sie machte eine Pause. » Nein, das denke ich nicht. Das sind doch Routinegeschichten. Ich sehe nicht, wer sich von unseren Untersuchungen bedroht fühlen sollte. Solche Dinge sind in Brasilien doch an der Tagesordnung. Und warum sollten sie ihn angreifen und nicht mich? Ich bin doch für das Projekt verantwortlich… «
Sie warf Matheus einen Blick zu. Der signalisierte, dass er verstanden hatte, und sagte: » Ich muss dir übrigens noch von den Ergebnissen erzählen. «
Ein paar Sekunden ließ sie ihren unergründlichen Blick auf ihm ruhen, dann wandte sie sich wieder an Sandra. » Matheus hat recht, Sandra. Du wirst sehen, es wird sich alles klären. Du musst versuchen, zuversichtlich zu sein… «
Sandra nickte. Schließlich konnte sie sich aber nicht mehr beherrschen und brach in Tränen aus. Matheus spürte, dass sich sein Magen wie ein Schraubstock zusammenzog.
Sarah Clarice beugte sich vor und nahm Sandra in den Arm.
Sie aßen schnell. Sandra bestand darauf, dass sie den Land Rover nahmen. Matheus war irritiert. » Kannst du so etwas denn fahren? « , fragte er Sarah Clarice.
» Ja natürlich, du etwa nicht? Das ist doch ein Wagen wie jeder andere auch. «
Der Weg nach Sobradinho war nicht übel und würde ihnen keine größeren Probleme bereiten. Sarah Clarice fuhr langsam und behielt die Straße im Blick, während Matheus ihr von den Analysen und den erstaunlichen Ergebnissen erzählte.
Sie versuchte, den Blick nicht von der Straße zu wenden, aber gelegentlich schaute sie ihn doch an. » Im Ernst? Wie destilliertes Wasser? «
Sichtlich verblüfft war Sarah Clarice, als Matheus ihr erzählte, dass er mit Ricardo Barcellos geredet hätte. Wort für Wort gab er sein Gespräch mit ihm wieder.
» Und du hast gehofft, dass er dir erzählt, wie man die Reinigungsmaßnahmen durchgeführt hat? « , fragte sie mit einem ironischen Unterton.
» Na ja, schon. Unter Wissenschaftlern ist das eigentlich so üblich. «
» Unter Wissenschaftlern… « , murmelte sie. » Und was ist mit deinem ehemaligen Studienkollegen, wie hieß er noch? Ribeiro? Denkst du, er hat die Wahrheit gesagt? Dass er nichts über die Maßnahmen weiß? «
» Keine Ahnung « , antwortete Matheus. » Ich wüsste allerdings nicht, wieso er mich anlügen sollte. «
» Nun … « , sagte sie. » Aus demselben Grund, aus dem auch Barcellos dich angelogen hat. «
» Bist du sicher, dass er gelogen hat? «
» Du hast doch selbst gesagt, dass es dir so vorkam, als würden ihm deine Fragen nicht passen. In jedem Fall war er nicht sonderlich auskunftsfreudig. «
Matheus schwieg. Er betrachtete die kahle Erde des Sertão von Bahia.
Sarah Clarice warf ihm einen Blick zu. » Denkst du an Nelson? «
» Ja. Er ist nicht der Typ, der anderen Menschen Sorgen bereiten würde. Ganz besonders nicht seiner Frau. « Nun schaute er Sarah Clarice an. » Den Oberst hast du ja ganz schön auf die Palme gebracht. «
» Araujo? Wieso? «
» Diese Geschichte mit dem kommunistischen Priester… «
» Was hätte ich denn zu einem solchen Scheißdreck sagen sollen? «
Matheus lächelte nur.
» Ich bin diesem Dom Cappio übrigens schon einmal begegnet « , erzählte Sarah Clarice. » Als er zum ersten Mal in den Hungerstreik getreten ist. In Barra, seiner Diözese. «
» Da bin ich geboren. «
» In Barra? «
» Ja. «
» Nur du oder auch Nelson? «
» Nelson auch. «
» Mit anderen Worten: Er tritt also nicht zum ersten Mal in den Hungerstreik? «
» Nein. Beim ersten Mal hatte Lula ihm versprochen, dass man die betroffene Bevölkerung zur Umleitung des São Francisco befragen würde. Die Baumaßnahmen wurden tatsächlich gestoppt, und so hat er den Hungerstreik abgebrochen. «
» Und dann? «
» Dann hat man die Baumaßnahmen wieder aufgenommen und die Volksbefragung einfach unter den Tisch fallen lassen. Du interessierst dich nicht übermäßig für Politik, was? «
» Inwiefern? «
» Mich hat schon neulich gewundert, dass du
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