Durst: Thriller (German Edition)
schlafen und sofort bei Morgengrauen losfahren können, aber für Matheus stand fest, dass sie Sandra die Nachricht sofort überbringen mussten. Sarah Clarice hatte wohl oder übel eingelenkt.
Als Marilena sie nachts um zwei im Nachthemd aus dem Schlaf riss, wusste Sandra sofort, dass irgendetwas passiert war. Und als sie Matheus mit zusammengepresstem Kiefer und zitternden Händen in der Haustür stehen sah, war ihr klar, dass sie ihren Ehemann nicht mehr lebend zu Gesicht bekommen würde.
Am frühen Mittwochnachmittag wollten sich Matheus und Sarah Clarice auf den Heimweg machen. Sarah Clarice musste wieder zur Arbeit zurück, sonst würde man sie irgendwann rauswerfen. Und Matheus musste nach Ilhéus zurück, seine letzten Vorlesungen halten, seinen Umzug organisieren und dann nach São Paulo übersiedeln. All diese Dinge kamen ihm jetzt sinnlos vor, aber das Leben musste irgendwie weitergehen. Er telefonierte lange mit Cássia, die anbot zu kommen, aber er war entschlossen zum Aufbruch. Sie hatten bei der Polizei eine Erklärung unterschrieben und warteten nun auf den Fortgang der Ermittlungen. Der schwierigste Part kam sowieso Sandra zu.
Fast eine Stunde lang schaute sich Matheus im Arbeitszimmer seines Bruders um, während Sarah Clarice sich auf ein Sofa legte, um endlich ein wenig Schlaf zu bekommen. Als sie das Haus verließen, schlief Sandra noch. Die Sonne war von Wolken bedeckt, und die Gegend wirkte noch verdorrter als sonst.
Sie waren gerade ein paar Minuten fort, als ihr Taxi von einem weiß-beigen Chevrolet der Militärpolizei angehalten wurde.
Sarah Clarice wandte sich an den Taxifahrer. » Was wollen die denn? «
» Ganz ruhig « , sagte Matheus, aber ihre Miene verfinsterte sich noch mehr, als Oberst Araujo in ihr Blickfeld trat. Er trug eine Pilotenbrille von Ray Ban und war dieses Mal, wie Matheus auffiel, perfekt rasiert.
Mit einer Handbewegung bedeutete er den beiden, das Fenster herunterzulassen.
» Schon wieder beim Aufbruch? «
» Ja, guten Tag. «
» Vor allem erst einmal mein herzliches Beileid, Doktor Braga. «
» Danke « , sagte Matheus. » Jetzt müssen wir aber weiter. «
Über das Gesicht des Polizisten flog ein Schatten. Er schien nach Worten zu suchen, wusste aber offenbar nicht, wie er anfangen sollte.
» Ich weiß, dass ich einen schlechten Zeitpunkt erwischt habe, und ich habe auch nicht die Befugnis, Sie aufzuhalten, aber in Anbetracht der Todesumstände Ihres Bruders könnte sich Ihre Anwesenheit hier vielleicht doch noch als notwendig erweisen. «
» Was wollen Sie damit sagen? « , fragte Sarah Clarice.
» Senhorina, mit Ihnen habe ich nicht geredet. «
» Ich rede aber mit Ihnen, Herr Oberst, oder denken Sie, wir leben noch in der Diktatur? Vielleicht befinden Sie sich gedanklich ja noch im Jahr 1975, wenn Sie meinen, dass nur Sie reden dürfen, weil Sie eine Uniform tragen… «
Matheus stieß sie mit dem Ellbogen an. Es hatte keinen Sinn, sich mit diesem Typen anzulegen.
Araujo, der sich schon halb zum Fenster vorgebeugt hatte, zog den Kopf wieder zurück und starrte sie über die Brille hinweg an. Sein Blick war der eines Hundes, der sich nicht von der Kette losreißen konnte.
» Wir befinden uns nicht mehr im Jahr 1975, leider. Den Tatbestand der Beamtenbeleidigung gibt es allerdings immer noch. «
» Ach ja? Dann zeigen Sie mich doch an, wenn Sie zwei willige Zeugen finden. «
Der Taxifahrer verzog keine Miene, sondern starrte nur vor sich hin.
Matheus schwitzte. Er platzte vor Wut, sagte aber nur matt: » Sollte sich meine Anwesenheit als notwendig erweisen, geben Sie einfach Bescheid. Aber erlauben Sie mir eine Frage: Was machen Sie eigentlich hier? Liegen die Ermittlungen nicht in den Händen der Zivilpolizei? «
» Wir teilen uns die Aufgaben. «
» Und was genau ist die Ihre in diesem Moment? «
Der Oberst schaute die Straße entlang. » Wir müssen einen Blick auf das Haus und die persönlichen Gegenstände Ihres Bruders werfen. Vielleicht findet sich irgendetwas, das uns auf die Spur des Mörders bringt. «
Matheus nickte. » Verstehe. Dann werde ich meine Schwägerin informieren, dass Sie kommen. Gerade hat sie noch geschlafen. Es ist besser, wenn sie Bescheid weiß. «
Araujo verzog den Mund und trat einen Schritt zurück. » Gute Reise, Herr Professor, und noch einmal mein Beileid. « Dann fuchtelte er zornig zum Taxifahrer hinüber, als wollte er ihn auffordern, schnell aus seinem Blickfeld zu verschwinden.
Sarah Clarice ließ sich
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