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Dylan & Gray

Dylan & Gray

Titel: Dylan & Gray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Kacvinsky
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gedankenvollem Blick an ihrem Auto. Sie hat die Hände in den Vordertaschen ihrer kurzen Hose vergraben. Unsere Blicke treffen sich und sie grinst. Mein Magen macht einen Hüpfer. Bestimmt hat er nur Hunger.
    ***
    Später liege ich im Bett und kann nicht einschlafen. Wir haben Vollmond und meine Füße zucken unruhig unter der Decke hin und her. In meinem Kopf jagen sich die Gedanken.
    Dylan ist nicht mein Typ. Sie ist schlaksig und linkisch, benimmt sich bizarr und trägt Klamotten wie die Obdachlosen an der Mill Avenue. Aber genau darin liegt das Problem. Eigentlich ist sie nicht linkisch, sondern nur jungenhaft. Und ihre Kleidung ist normal. Sie will der Welt einfach nicht jedes Stück nackte Haut zeigen. Man kann sie merkwürdig finden, aber nur, weil sie sich keine Mühe gibt, die Leute zu beeindrucken … was erst recht beeindruckend ist. Und ich muss zugeben, sie ist sexy.
    Ich rolle mich auf den Rücken und starre an die Decke. In meinem Kopf lasse ich die Gesichter von Mädchen vorbeiziehen, auf die ich früher mal scharf war, weil sie einfach geil aussahen. Jetzt kann ich mich nicht mehr recht erinnern, wieso ich sie attraktiv fand. Sie wirken alle künstlich und auswechselbar, als wären sie auf dem Reißbrett entworfen und dann in Plastik gegossen worden. Keine hat diese kleine Falte zwischen den Brauen, die bei Dylan anzeigt, dass ihre Fantasie auf Hochtouren arbeitet. Ihre Barbieaugen sind blau oder braun, während bei Dylan alle möglichen Farben ineinander wirbeln, als hätte man einen bunten Pinsel in einen Wassertropfen getupft. Sie haben keine unruhigen Hände oder den federnden Gang, der zu Dylan gehört.
    Vor allem sind sie im Vergleich zu Dylan hirntot. Ihnen fehlt das Bedürfnis, Fragen zu stellen. Sie sind blind für die Schönheit, die sich in aufgesprungenen Fußwegplatten oder menschenleeren Wüstenhügeln verbirgt. Dafür sind sie viel zu zwanghaft mit sich selbst beschäftigt. Sie nehmen sich furchtbar wichtig und färben damit auch noch auf ihre Umgebung ab. In ihrer Nähe werde ich sofort nervös und selbstkritisch. Ich versuche krampfhaft, meine Fehler zu verbergen, und verwandele mich in ein lebloses Zerrbild meiner selbst. Was für eine Zeitverschwendung.
    ***
    Kaum ist am nächsten Tag der Unterricht zu Ende, halte ich Ausschau nach Dylan. Ich entdecke sie im spärlichen Schatten eines Baumes, wo sie ausgestreckt auf dem trockenen Rasen liegt. Wieder trägt sie ihre Schlabberjeans und dazu ein T-Shirt in Militärfarben mit einem aufgedruckten weißen Peace-Zeichen. Ihre Haare hat sie mit einem blauen Tuch zurückgebunden. Automatisch gehe ich auf sie zu.
    »Ich will mir was zum Essen holen, kommst du mit?«, frage ich schnell und würde am liebsten hinzufügen: Das ist kein Date! »Außer natürlich, du musst dringend zu deinem Friedensmarsch«, sage ich und nicke in Richtung ihres Shirts.
    Sie grinst und hält mir ein gefaltetes Stück Papier entgegen. Zweifelnd starre ich sie an und öffne es. Ihre krakelige Handschrift ist unverwechselbar. Die Hälfte der Buchstaben ist kursiv, die andere in Blockbuchstaben und alles ist ein großes Durcheinander.
    Hallo, Gray. Ich dachte mir schon, dass wir uns über den Weg laufen. Du siehst heute besonders gut aus. Vor allem deine Haare. Kleiner Scherz, du trägst ja eine Baseballkappe.
    Ich schaue lange genug von dem Brief hoch, um Dylan einen düsteren Blick zuzuwerfen.
    »Sehr witzig«, sage ich. Sie nickt mit einem wissenden Lächeln. Ich vertiefe mich wieder in den Brief.
    Okay, beim Fotokurs hat der Lehrer mit mir gewettet, dass ich keinen Tag durchhalte, ohne zu reden. Anscheinend bin ich ihm zu mitteilsam. Ich habe die Wette angenommen. Also darf ich heute nichts sagen. Wollen wir zusammen was essen gehen?
    Ich falte den Zettel zusammen und gebe ihn Dylan zurück. Bestimmt kann das nicht ihr Ernst sein.
    »Ist das dein Ernst?«
    Sie schaut nicht hoch, sondern ist in ihren Skizzenblock vertieft. Wie ich sehe, zeichnet sie gerade einen indianischen Fruchtbarkeitsgott mit Flöte.
    »Anscheinend hältst du auch keinen Tag durch, ohne etwas Verrücktes zu tun.«
    Dylan blättert in dem Notizheft, das neben ihr im Gras liegt, bis sie eine leere Seite findet. Sie schreibt eine Zeile, reicht es mir und schaut mir dabei zum ersten Mal in die Augen. Unsere Finger berühren sich, als ich das Heft entgegennehme und mein Magen zieht sich zusammen. Davon bin ich so überrumpelt, dass ich hastig die Hand zurückziehe. Mit gesenktem Blick lese ich den

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