Dylan & Gray
rauscht in meinen Ohren. Sie steht da und wartet, was ich als Nächstes tue. Vielleicht sollte ich mich für diesen unverzeihlichen Fehler entschuldigen? Aber ich entscheide mich für die zeitsparende Methode, einfach zu ihr zu gehen, mich vorzulehnen, und meine Lippen auf ihre zu drücken. Dylan riecht nach Seife, Shampoo und frischem Wind. Sie schlingt die Arme um mich, ich ziehe ihr Shirt hoch und berühre warme Haut. Himmel, ist das seidenweich. Meine Sinne arbeiten auf Hochtouren.
Wir taumeln gemeinsam durch die Kellertür. Ich schaffe es sogar, hinter uns abzuschließen, ohne meinen Mund von Dylans zu lösen. Gar nicht so leicht, rückwärts zu gehen und sich die ganze Zeit zu küssen. Man muss sich vorsehen, nicht mit den Köpfen zusammenzustoßen. Ich überrage sie eine Stück, auch wenn sie fast an mich heranreicht. Also schnappe ich sie mir, hebe sie hoch und trage sie in mein Zimmer. Dort fallen wir zusammen aufs Bett. Sie zerrt an meinem Oberteil, und ich an ihrem, bis ich sie aus dem Shirt befreit habe. Der Raum scheint sich zu drehen.
Als ich das Licht ausknipse, sehe ich aus dem Augenwinkel meine Trophäen im Bücherschrank. Dylan hat sich schon jetzt ein eigenes Regal verdient. Für das größte Kusstalent. Für die tollsten Lippen … Für einfach alles.
E rste Liebe
Dylan
Ich suche mir Tommys Café aus, um Gray zu sagen, dass ich ihn liebe. Für so etwas sollte man immer den unpassendsten Platz wählen, dadurch wird die Überraschung größer. Nachdem wir die Highlights der Inneneinrichtung bewundert und diskutiert haben, ob ein Omelett mit Bacon und Schokostreuseln eher eklig oder spannend klingt, verkünde ich:
»Ich liebe dich und Spiegeleier zum Frühstück, aber dich ein bisschen mehr.«
Gray verschluckt sich und muss erst ein Glas Wasser hinterherschütten, bevor er wieder sprechen kann. Ich tue so, als würde ich sein ersticktes Husten nicht bemerken und quassele weiter über die Schule, den Fotokurs, wo ich am liebsten zum College gehen würde oder ob ich das Studium einfach weglasse und stattdessen durch die Welt reise.
Dann fange ich an, über meine Lieblingsorte rund um den Globus nachzudenken. Die meisten Leute würden so etwas wortlos tun, aber ich hatte schon immer Probleme mit dem inneren Monolog. Gray wedelt mit den Händen, damit ich mich bremse und zurückspule.
»Warte mal, was hast du eben gesagt?«, fragt er. Wir starren uns ein paar Sekunden über die Tischplatte an und das Wort Liebe hüpft wie ein Pingpongball zwischen uns hin und her.
Er braucht Sicherheit. Ich stelle mich dumm.
»Worüber?«, frage ich, nehme einen Schluck Orangensaft und warte darauf, dass er es laut ausspricht. Aber er manövriert sich um das Wort herum, als würde er auf Zehenspitzen über Eis laufen.
»Was hast du gesagt, bevor du mit dem Schulthema angefangen hast?« Sein Blick ist ungeduldig und fast feindselig, als hätte ich gerade das tonnenschwerste Geschütz der menschlichen Sprache auf ihn abgeschossen. Aber für mich hat Liebe kein solches Gewicht. Ich habe schon vielen Jungs gesagt, dass ich sie liebe. Wenn man es fühlt, sollte man es auch aussprechen, damit möglichst viele etwas davon haben. Das Leben ist zu kurz, um Liebe ungenutzt zu verschwenden.
»Ich habe darüber geredet, dass Tommys Café die merkwürdigste Deko hat, die mir je untergekommen ist«, sage ich und werfe einen neuen Rundumblick auf die Wandgemälde mit Regenwaldmotiv, die kein bisschen zu dem Fünfziger-Jahre-Stil der Möbel passen.
Er macht eine ungeduldige Geste. »Ja, ich weiß. Darüber waren wir uns einig. Was hast du danach gesagt?«
Er legt das Besteck beiseite, als hätte er Angst vor einem neuen Erstickungsanfall. Sein Gesicht wird immer angespannter und seine Augen fragen: Hast du wirklich von Liebe gesprochen? Oder habe ich mir das nur eingebildet?
Ich sollte Mitleid haben und ihn nicht weiter aufziehen.
»Oh. Ich habe gesagt, dass ich dich liebe. Meinst du das?«, frage ich mit unschuldigem Pokerface.
Ihm fällt die Kinnlade herunter und er starrt mich an, als wären ihm sämtliche Worte im Hals stecken geblieben. Ich bestehe nicht auf einer Antwort. Wenn Gray von einem Gespräch überfordert ist, hört er einfach auf zu reden. Im Gegensatz zu mir hüllt er sich lieber in würdevolles Schweigen, statt panisch loszuquatschen. Das ist eine sehr lobenswerte Eigenschaft.
Ich nehme einen Bissen von meinem Spiegelei und einen langen Schluck Orangensaft. Da dieses Gespräch über unsere Gefühle
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