Dylan & Gray
die durch meine Adern pulsen. Mein Körper scheint sich aufzulösen. Es fühlt sich an, als würden mir die Lungen im Hals stecken, das Gehirn in der Brust und das Herz in den brennenden Handflächen.
»Das ist echt zu viel«, bringe ich schließlich heraus und deute mit einer Handbewegung auf die Lücke zwischen unseren Körpern. »Zu perfekt.«
Sie drückt die Finger auf den Matratzenstoff. »Ich finde es ein bisschen hart für meinen Geschmack.«
Ich verdrehe nur die Augen. »Doch nicht das Bett. Ich meine uns beide. Mir kommt es vor, als würden wir uns schon immer kennen. Ehrlich, sollte Sex am Anfang nicht irgendwie schwieriger sein?« Unsere verschwitzten Körper sind der beste Beweis. Splitternackt und kein bisschen verklemmt liegen wir nebeneinander.
Sie erinnert mich daran, was für ein nervöses Wrack ich beim ersten Mal war. Offenbar habe ich ausgesehen, als würde ich mir gleich in die Hose machen. Dylan behauptet, sie fand das niedlich.
Mit schmalen Augen frage ich: »Warst du etwa nicht nervös?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein«, meint sie. »Ich wusste, wenn wir beide zusammen sind, kann es nur genial werden.« Die Selbstverständlichkeit, mit der sie das sagt, ist wirklich kaum zu fassen.
Ich streiche mit dem Finger ihr Schlüsselbein entlang und erzähle Dylan, wie es war, mit anderen Mädchen auszugehen. Sex hatte ich zwar noch nie, aber ich war ein paar Mal dicht davor. Jedes Mal wurde das Mädchen furchtbar schüchtern und begann sich alle möglichen Gedanken zu machen. Diese Nervosität steckte mich an, und ich wusste selbst nicht mehr, wie weit ich gehen sollte. Schließlich will man sich nicht den Ruf verderben. Zurückhaltung ist wichtig. Man sollte sich nicht unter Wert verkaufen, aber auch nicht zu viel verlangen und als gieriger Lüstling abgestempelt werden. Bisher haben sich solche Dates immer angefühlt wie die ersten Schritte auf dünnem Eis. Vorsichtig und steif tasten sich beide voran, um bloß nicht zu fallen und sich lächerlich zu machen. Und beide haben schreckliche Angst, nicht gut genug zu sein und hinter den Erwartungen zurückzubleiben. Ich dachte immer, das sei normal.
Aber mit Dylan fühlt sich der Sex einfach genauso an wie der Rest unserer Beziehung: wunderbar intensiv und ungezwungen.
Dylan kämmt mit den Fingern durch meine Haare.
»Das Leben ist kurz«, sagt sie. »Ich will meine Zeit nicht mit Schüchternheit und Scham verschwenden. Wir sind alle nur Menschen, also ist niemand von uns perfekt, und gerade das sollten wir genießen.«
»Dafür braucht man aber das nötige Selbstbewusstsein«, stelle ich fest, »und das haben die wenigsten.«
Sie zuckt mit den Schultern und meint, in der Liebe kann es einem egal sein, was andere Leute denken. Natürlich hat jeder von uns Fehler. Aber in den Augen des geliebten Menschen sind wir genau richtig und deshalb müssen wir uns nicht länger an unser blödes Ego klammern.
»Woran denkst du beim Sex?«, frage ich neugierig.
Sie starrt an die Decke und sagt Ashton Kutcher.
»Hä?«, mache ich. Dylan verdreht die Augen und knufft mich.
»Ich denke an dich, Gray«, sagt sie und fährt fort, dass es ein Riesenglück war, mir über den Weg zu laufen, und sie jede Sekunde auskosten will. Ihre Antwort überrascht mich, weil ich beim Sex genau das Gleiche empfinde. Vielleicht passiert das automatisch, wenn man nicht länger an seine eigenen Bedürfnisse denkt, sondern für den anderen da sein will. Man sieht nur noch den Partner und verliert die Selbstzweifel aus dem Blick. Ich atme tief durch.
»Was hältst du davon, mit mir nach New Mexico zu kommen … ?«, lasse ich zum ersten Mal meine Wünsche durchblicken.
Dylan sieht mich an und es entsteht ein erdrückendes Schweigen. Ihr forschender Blick macht mir Angst, deshalb versuche ich, meine Frage in einen Scherz zu verwandeln.
»Laut meinem Trainingsplan müssen wir noch eine ganze Menge üben«, sage ich.
Sie lacht. Es schmerzt ein bisschen, auch wenn ich das Thema selbst heruntergespielt habe. Ist ihr nicht klar, wie ernst es mir ist?
»Gray, du brauchst keine Übung«, geht sie auf mein Geplänkel ein. »Du bist ein Naturtalent.« Dann schaut sie mir fragend in die Augen. »Und wie war ich?«
Jetzt hat sie mich wirklich überrascht. So eine Frage hat Dylan mir noch nie gestellt. Meine früheren Freundinnen wollten ständig wissen, wie hübsch und klug ich sie finde und warum ich sie lieber mag als alle anderen. Nur Dylan schien solche Bestätigungen nicht
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