Dylan & Gray
nötig zu haben. Aber jetzt betrachtet sie mich fragend und wartet auf meine Antwort. Ihr Gesicht hebt sich golden schimmernd gegen das weiße Bettlaken ab. Sex mit ihr ist betäubend und berauschend zugleich. Wie eine Mischung aus Beruhigungsdroge und göttlicher Erleuchtung. »Unbeschreiblich«, sage ich.
Dylan besteht darauf, dass ich es versuche.
Also lehne ich mich auf dem Bett zurück und gebe mir Mühe, die Erfahrung in Worte zu fassen.
»Manchmal ist es ein totales High, als würde man Fallschirmspringen … als ob man schwerelos in der Mitte eines Sees treibt … man steht direkt neben einem Feuer, das Funken sprüht … man spaziert in der Sommersonne und rollt sich anschließend im Schnee. Es ist wie ein Erdbeben, Hagelsturm, Vulkanausbruch, Gewitter und Tornado gleichzeitig, aber dann wird plötzlich alles ganz still. Das Gehirn schaltet sich ab und die Welt ist total friedlich. Auf dem Höhepunkt ist der Kopf explodiert, nur der restliche Körper ist noch da, und alles glüht vor Hitze.« Ich klappe hastig den Mund zu, bevor noch mehr Unsinn herauskommen kann. Als ich den Blick hebe, schaut Dylan mich ungläubig an.
»Was?«, frage ich.
Sie blinzelt verblüfft. »Und du hast behauptet, dass du kein Talent für Lyrik hast«, sagt sie schließlich. Ich grinse. Anscheinend habe ich nur die richtige Inspiration gebraucht. Woher soll man denn schon Material zum Schreiben nehmen, wenn man gar nicht richtig lebt?
Sie lehnt sich auf den Ellbogen zurück.
»So viel fühlst du, wenn ich bei dir bin?«, fragt sie und ich nicke. »Tja, herzlichen Glückwunsch«, sagt sie.
Ich frage, was das nun wieder heißen soll.
»Sieht ganz so aus, als hätte ich endlich deine Schutzmauern weggeballert«, sagt sie. Ich lächele, denn damit hat sie recht. Und außerdem bin ich durch das ganze Sexgerede bereit für die nächste Runde.
E rste Träume
Dylan
An einem späten Nachmittag schlendern wir wieder durch den Park mit dem Springbrunnen und führen Boba aus. Um diese Uhrzeit gibt es hoffentlich genug Schatten, damit der Hund sich keinen Herzinfarkt holt.
Gray erzählt, dass er mit dem Packen für den Umzug angefangen hat. Außerdem hat er Brandon angerufen. Ab morgen wird er jeden Tag zusammen mit der Mannschaft trainieren. Als Nächstes will er sich darum kümmern, welche Studienkurse er im Herbstsemester zur Auswahl hat. Ich bin so begeistert, dass ich fast abhebe vor Glück. Kaum zu glauben, wie sein Leben noch vor ein paar Monaten ausgesehen hat: nur Scherben und Käfigstäbe. Und jetzt hat er wieder eine Zukunft. Sie ist grenzenlos wie der Wüstenhorizont und mitten hindurch führt eine solide Straße geradewegs ins Blaue. Endlich wagt er sich in die Welt hinaus, zu der er so lange den Kontakt verloren hatte, und ich gönne es ihm von ganzem Herzen.
Als ich sage, wie begeistert und aufgeregt ich bin, dreht Gray sich zu mir um. Er hebt das Kinn und streckt die Schultern.
»Ich will, dass du mitkommst«, sagt er. Keine Frage, sondern eine klare Ansage. Als hätte er nicht den geringsten Zweifel, dass ich zustimme. Aber statt vor Freude in die Luft zu springen, sinke ich ins Bodenlose. Ich habe Mühe, mich auf den Beinen zu halten.
Am liebsten würde ich wegschauen, aber Grays Blick bohrt sich in meinen und hält mich störrisch fest. Der Moment ist gekommen. Wir können das Thema nicht länger umgehen oder auf die leichte Schulter nehmen. Dazu fehlt die Zeit. In zwei Tagen reise ich ab.
Ich gehe einfach weiter, sage nichts und schiebe die Antwort hinaus. Dabei kann ich spüren, wie Gray neben mir in Panik gerät. Verständlich, denn wenn ich aufhöre zu reden, ist das meistens ein schlechtes Zeichen.
»Die Idee ist mir nicht erst jetzt gekommen«, sagt er. »Ich habe jeden Tag darüber nachgedacht, seit Coach Clark bei mir angerufen hat.«
Gray stellt mir seinen Plan für unsere gemeinsame Zukunft vor. Ich könnte mit ihm nach Albuquerque ziehen und mir einen Teilzeitjob suchen. Dann hätte ich genügend Zeit zum Fotografieren und für ein paar Unikurse.
Ich schweige immer noch und so kann Gray sich einreden, dass ich über seinen Vorschlag nachdenke. Er verspricht, dass ich von Albuquerque begeistert sein werde. Die Stadt liegt in einem Canyon mitten zwischen roten Felsen, Wüste und Bergen. Der Traum aller Fotografen. Jede Menge Wanderwege.
»Wir können zusammen die Umgebung entdecken«, sagt er. Ich lächele, aber es fühlt sich unnatürlich an und erreicht meine Augen nicht.
»Vielleicht kaufe ich
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