Éanna - Ein neuer Anfang
jetzt wollen wir erst einmal ein richtiges Festessen auf den Tisch bringen, damit Brendan und Liam gleich wissen, dass es einen Grund zum Feiern gibt. Sie werden sich bestimmt freuen, wenn sie hören, dass wir heute so erfolgreich waren!«
Natürlich freuten Brendan und Liam sich, als sie die gute Neuigkeit vernahmen. Sie beglückwünschten Éanna und Emily, dann stießen die vier auf ihr neues Leben in Amerika an. Doch nach dem Essen – einem deftigen Auflauf aus Kartoffeln, Gemüse und etwas Fleisch – mussten die beiden Mädchen zu ihrer Näharbeit zurückkehren. Vor dem Zubettgehen wollten sie unbedingt ihr zweites Hemd fertig nähen und ein drittes zumindest in Angriff nehmen. Und so bekamen ihre Freunde einen ersten Vorgeschmack davon, wie die gemeinsame Abendgestaltung von nun an wohl jeden Tag verlaufen würde.
Sie ließen die Mädchen allein und gesellten sich zu den vielen anderen Bewohnern des Mietshauses, die vor der drückenden Hitze auf das breite Flachdach geflüchtet waren. Hier und unmittelbar vor dem Haus vertrieb man sich in den Abendstunden die Zeit mit Gesprächen, einem Brettspiel, Würfeln oder Karten, verfolgte die ständig bewegte Szenerie der Straße und sann still vor sich hin.
Éanna war froh, dass Brendan nicht stattdessen eine der Tavernen von Five Points aufsuchte und dort Geld für Unmengen Porter ausgab, wie so viele andere Männer es in dieser Gegend taten. Und warum sollten er und Liam auch bei ihnen im stickigen Zimmer sitzen? Sie hätten sie doch nur von ihrer Arbeit abgelenkt, die so viel Konzentration verlangte. Auch wusste sie, dass Liam ihrem Freund seit einigen Tagen das Schachspiel beibrachte und dass Brendan nun darauf brannte, sich auf dem Dach mit anderen Spielern zu messen.
Als sie in dieser ersten Nacht als Näherin für Chester Kerrigan schließlich müde, aber zufrieden neben Brendan auf der Matratze lag, erzählte sie ihm von ihrem brennenden Wunsch, eines Tages aus New York herauszukommen und irgendwo ein Stück eigenes Land zu besitzen, das sie gemeinsam bewirtschaften konnten.
»Mein Gott, hast du keine kleineren Träume, mein Schatz?« Brendan lachte leise auf und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Musst du denn gleich nach den Sternen greifen?«
»Wenn man keine großen Träume hat, kommt man doch nirgendwohin!«, verteidigte sie sich gekränkt und enttäuscht über seine Reaktion. »Und für so groß und unerreichbar, wie du tust, halte ich meinen Wunsch gar nicht. Sieh doch mal, du und ich, wir verdienen jetzt beide gut und auch Emily wird von nun an ihren Anteil zur Miete und zum Essen selbst zahlen können und dann …«
»Emily wird nicht ewig mit uns eine Wohnung teilen«, fiel Brendan ihr leise ins Wort. »Über kurz oder lang wird sie sich mit Liam zusammentun. Du siehst doch, wie er jede Gelegenheit nutzt, in ihrer Nähe zu sein, und wie sehr es ihr gefällt. Am liebsten würde er ihr noch das Garn und die Schere beim Nähen halten, nur um bei ihr sitzen zu können. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die beiden den Wunsch haben, eine eigene kleine Wohnung miteinander zu teilen.«
»Dass Emily und Liam einander sehr zugetan sind, ist offensichtlich«, pflichtete Éanna Brendan bei. »Aber Emily wird, wie ich sie kenne, in diesen Dingen nichts überstürzen wollen. Sie wird sich Zeit lassen und sich und Liam lange prüfen, bevor sie seinem Werben nachgibt und mit ihm zusammenzieht, da bin ich sicher!«
»Ich kenne da noch so eine, die nicht viel anders ist.« Brendan lächelte.
»Was ich aber gerade eigentlich sagen wollte, ist, dass wir doch jetzt anfangen könnten, einen Teil unseres Lohns wegzulegen«, nahm Éanna den Faden wieder auf. »Wenn wir sparsam haushalten, werden wir eines Tages sicher so viel Geld besitzen, wie man braucht, um fern der großen Städte, dort, wo das Land noch nicht so teuer ist, ein eigenes Stück Boden zu kaufen.«
»Hast du denn eine Ahnung, wie viel Geld man dafür braucht?«
»Nein. Du vielleicht?«
»Ich auch nicht. Aber es ist mit Sicherheit mehr, als wir in mehreren Jahren zusammenkratzen können«, entgegnete er nachdenklich. »Und das Land allein kaufen zu können, reicht ja auch noch längst nicht. Man muss auch das Geld für Samen und Werkzeuge, für Holz und für eine Unterkunft haben, ganz zu schweigen von einer Milchkuh, einem Schwein, Hühnern oder gar einem eigenen Pferd!«
»Aber wäre das denn nicht etwas, wofür es lohnt, sich abzurackern und eisern zu sparen,
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