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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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im Gegenteil, die feuchte, schwere Luft war kaum zu ertragen.
    »Wir hätten uns ja schon gerne einen Enkel für Erika gewünscht«, sagte Onkel Udo gerade mit bedauerndem Blick in Mias Richtung. »Aber diese warmen Brüder verschleudern ihre Gene ja immer völlig nutzlos.« Er grinste anzüglich und beifallheischend in die Runde.
    Jemand pflichtete ihm halbherzig bei, und Mia vertiefte sich schweigend in ihren Kaffee. Auf zur Schlachtbank, hatten sie und Rocco sich fröhlich zugerufen, aber erst jetzt begriff sie, was genau das eigentlich hieß. Sie wurde entgegen ihrer ursprünglichen Befürchtung nicht geschlachtet, jedenfalls nicht öffentlich. Rocco hingegen schon. Trotzdem war er hergekommen und setzte sich dem Spott, den abfälligen Bemerkungen und dem Unverständnis dieser Leute aus. Wir sind das Frank schuldig , hatte er gesagt, und auf einmal verstand Mia, wie sehr er Frank lieben musste.
    Langsam stand sie auf und ging ein Stück in den großen, gepflegten Garten hinein. Erika folgte ihr.
    »Ich würde mich so freuen, wenn ihr bleibt«, wiederholte sie jetzt ihren Wunsch.
    Mia wollte eigentlich mit Rocco am Abend wieder nach Hause fahren, sie wussten beide, dass sie hier fehl am Platz waren. Jetzt zögerte sie.
    Erikas Blick glitt an ihr vorbei, ihre Stimme war leise und traurig. »Frank und Hartmut hatten damals einen entsetzlichen Streit wegen eurer Scheidung. Das war wirklich furchtbar. Frank hat sich später so sehr gewünscht, dass sich das wieder einrenken würde. Aber Hartmut war ja immer so ein sturer Kopf – der wollte nichts hören von sexueller Umorientierung und solchen Dingen. Ein Ehegelübde gilt ein Leben lang, das schießt man nicht einfach wegen einer plötzlichen Laune in den Wind, hat er gesagt. Na, du kennst ihn ja.« Sie stutzte und korrigierte sich dann: »Du kanntest ihn.«
    Mia legte einen Arm um Erikas Schultern. »Wir hatten es eigentlich nicht geplant«, sagte sie aufrichtig. »Aber wenn du uns gerne noch hier haben möchtest, dann bleiben wir da.«
    Ein Stück von ihnen entfernt schlenderten Rocco und Frank über den Rasen. Rocco knuffte Frank in die Seite, der lachend zur Seite sprang. Sie alberten herum wie zwei kleine Jungen.
    »Sie sind so glücklich miteinander«, stellte Erika voller Verwunderung fest.
    Das klang nach einem guten Anfang, fand Mia. Vielleicht würde wenigstens Erikas Tür in Zukunft für Rocco offen stehen.
    »Wie sieht es denn bei dir aus?«, fragte Erika. »Gibt es da jemanden?«
    Mia schüttelte den Kopf. »Nein, niemanden«, sagte sie. Ihre Kopfschmerzen nahmen zu.
     
    Sie fanden sich in Franks Zimmer wieder, in dem Mia so manche Nacht gemeinsam mit ihm in seinem alten, französischen Bett verbracht hatte. In dem verwinkelten, holzgetäfelten Raum mit den Dachschrägen hatte sich, soweit sie im Dämmerlicht erkennen konnte, nichts verändert, seit sie das letzte Mal hier gewesen war. In den schwarzen Schatten der Ecken lauerten die Erinnerungen an vergangene, unbeschwerte Jahre. Sie machten kein Licht, damit keine Insekten durch die offenen Fenster hereinkamen. Rocco ließ sich mit ausgebreiteten Armen auf das Bett fallen.
    »Wo soll ich denn schlafen?«, fragte Mia.
    »Na, hier.« Rocco lachte.
    Frank grinste. »Genau. Wo denn sonst?«
    Es lag eine Leichtigkeit in der Luft, ein Vibrieren, das für einen kleinen Moment alle Trauer vergessen ließ.
    Frank warf sich neben Rocco aufs Bett und schloss die Augen. »Danke, dass ihr hier seid. Ohne euch hätte ich den Tag nicht überlebt.«
    Er wirkte müde und erschöpft. Erneut schossen ihm Tränen in die Augen. Rocco nahm ihn in die Arme und küsste ihn zärtlich.
    »Danke«, murmelte Frank noch einmal. Er streckte die Hände nach Mia aus. »Dir auch vielen, lieben Dank. Ich weiß, wie schwer das alles für dich sein muss.«
    Mia trat zögernd an das Bett heran. Frank fasste ihre Hände, sie beugte sich vor und ließ sich von ihm umarmen. Spielerisch zog er sie zu sich herab. Sie kam zwischen ihm und Rocco zum Liegen. Die Nähe und Wärme der beiden Männer umhüllte sie.
    Im weit geöffneten Dachfenster über ihr sah sie ein samtblaues Stück Himmel. Eine Amsel trällerte ihr Abendlied. Die Nacht legte sich in diesen Sommertagen nur zögernd über die Welt.
    Frank drehte den Kopf zur Seite und presste seine Lippen sanft an Mias Wange. Wie viele hundert Nächte hatten sie so nebeneinander gelegen, sein Mund an ihrer Wange, ihr Arm quer über seinem Bauch, in inniger, vertrauter Zärtlichkeit. Jetzt wirkte

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