Echo Park
hatte, war nichts im Vergleich zu Foxworth’ Verletzungen.
Das nächste Dokument, das Rachel ihm reichte, war die Kopie von Rosemary Foxworth’ Sterbeurkunde. Sie war am 5. März 1986 in der geschlossenen Abteilung des County-USC Medical Center an den Folgen von Drogenmissbrauch und einer Hepatitis C gestorben. Robert Foxworth war zu diesem Zeitpunkt vierzehn gewesen.
»Da hätten wir’s«, sagte Rachel plötzlich.
»Was?«
»Sein längster Aufenthalt bei Pflegeeltern war bei einer Familie in Echo Park. Und die Leute, die ihn bei sich aufgenommen hatten? Harlan und Janet Saxon.«
»Ihre Adresse?«
»Figueroa Lane 710. Er war von 1983 bis 1987 bei ihnen. Insgesamt fast vier Jahre. Er muss sie gemocht haben, und ich schätze mal, sie mochten ihn auch.«
Bosch beugte sich vor, um einen Blick auf das Dokument zu werfen, das sie vor sich liegen hatte.
»Als er mit den Leichen angehalten wurde, war er in der Figueroa Terrace. Das ist nur ein paar Straßen weiter. Wenn sie ihm nur eine Minute länger gefolgt wären, hätten sie die Stelle gefunden!«
»Wenn er wirklich dorthin unterwegs war.«
»Er muss dorthin unterwegs gewesen sein.«
Sie reichte ihm die Seite und wandte sich der nächsten zu. Doch Bosch war bereits aufgestanden und lief in Richtung Ausgang. Er hatte genug gesehen. Er hatte eine Verbindung zu Echo Park gesucht, und jetzt hatte er sie gefunden. Er war bereit, das Aktenstudium zu beenden. Er war bereit, zu handeln.
»Harry, diese psychologischen Gutachten aus seiner Pubertät – zum Teil ist das ganz schön krankes Zeug, was er da alles erzählt hat.«
»Was zum Beispiel?«
»Eine Menge Hass auf Frauen. Vor allem auf junge, promiskuitive Frauen. Prostituierte, Drogenabhängige. Weißt du, was dahinter für eine Psychologie steckt? Weißt du, wozu das alles schließlich geführt hat?«
»Nein. Wozu?«
»Dass er immer und immer wieder seine Mutter getötet hat. Diese ganzen vermissten Frauen und Mädchen, die sie ihm anlasten? Die von gestern Abend? Für ihn waren sie wie seine Mutter. Und er wollte sie umbringen, weil sie ihn verlassen hatte. Vielleicht hat er diese Mädchen auch ermordet, damit sie nicht das Gleiche tun konnten wie sie – ein Kind auf die Welt zu bringen.«
Bosch nickte.
»Ein wirklich schönes Beispiel von Laienpsychologie. Wenn wir genügend Zeit hätten, könnten wir wahrscheinlich sogar seine Rosebud-Erinnerung finden. Bloß hat sie ihn nicht verlassen. Sie haben ihn ihr weggenommen.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Das spielt keine Rolle. Sie hat ihn durch ihren Lebenswandel verstoßen. Die Behörden hatten gar keine andere Wahl, als einzuschreiten und ihn ihr wegzunehmen. Drogen, Prostitution, das ganze Programm. Durch ihr Versagen als Mutter überließ sie ihn dieser zutiefst fragwürdigen Institution, der er so lange wehrlos ausgeliefert war, bis er alt genug war, um auf eigenen Füßen zu stehen. Für ihn stellte es sich so dar, dass sie ihn im Stich gelassen hat.«
Bosch nickte langsam. Wahrscheinlich hatte sie recht, aber ihm war nicht wohl bei der Sache. Das Ganze ging ihm zu nahe, wies zu viele Ähnlichkeiten mit seiner eigenen Biografie auf. Abgesehen von der einen oder anderen Abweichung hatten Bosch und Foxworth ähnliche Lebenswege hinter sich. Foxworth war dazu verdammt, seine eigene Mutter immer wieder zu töten. Ein Polizeipsychologe hatte Bosch einmal gesagt, er sei dazu verdammt, den Mord an seiner Mutter immer wieder aufzuklären.
»Was hast du denn?«
Bosch sah sie an. Er hatte Rachel seine schäbige Lebensgeschichte noch nicht erzählt. Er wollte nicht, dass sie ihre Fähigkeiten als Profiler auf seine Person richtete.
»Nichts«, sagte er. »Ich denke nur nach.«
»Du siehst aus, als hättest du gerade einen Geist gesehen, Bosch.«
Er zuckte mit den Achseln. Walling klappte den Ordner auf der Theke zu und hob endlich ihre Kaffeetasse, um einen Schluck daraus zu nehmen.
»Und was nun?«, fragte sie.
Bosch sah sie kurz an, bevor er antwortete.
»Wir fahren nach Echo Park«, sagte er.
»Was ist mit Verstärkung?«
»Ich will mich dort erst mal umsehen, dann fordere ich Verstärkung an.«
Sie nickte.
»Ich komme mit.«
TEIL VIER
DER HUND, DEN MAN F Ü TTERT
SIEBENUNDZWANZIG
Bosch und Walling nahmen Boschs Mustang, weil er im Vergleich zu ihrer FBI-Limousine, die förmlich nach Polizei stank, zumindest ein gewisses Maß an Tarnung bot. Sie fuhren nach Echo Park, aber nicht direkt zum Haus der Saxons in der Figueroa Lane 710. Die
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