Echo Park
treffen, stand er rasch auf.
»Waits, ich komme jetzt rein.«
»Nein, Bosch.«
»Ich gebe Ihnen meine Waffe. Achten Sie auf die Lampe. Sie kriegen meine Waffe.«
Er knipste die Taschenlampe an und richtete ihren Strahl auf die Biegung des Tunnels. Er bewegte sich vorsichtig vorwärts, und als er die Biegung erreichte, streckte er seine linke Hand in den Lichtkegel. Er hielt die Pistole am Lauf, damit Waits sehen konnte, dass sie keine Gefahr darstellte.
»Ich komme jetzt rein.«
Bosch drückte sich um die Biegung und kam in den letzten Abschnitt des Tunnels. Dieser Bereich war mindestens drei Meter breit, aber immer noch nicht hoch genug, um darin stehen zu können. Er ließ sich auf die Knie fallen und leuchtete mit der Lampe umher. Der schwache gelbe Lichtschein fiel auf einen gespenstischen Haufen aus Knochen und Schädeln und verwesendem Fleisch und Haaren. Der Gestank war so schlimm, dass Bosch sich fast übergeben musste.
Dann traf der Lichtstrahl das Gesicht des Mannes, den Bosch als Raynard Waits kennengelernt hatte. Er saß an der Rückwand seines Fuchsbaus auf einem aus dem Fels und der Erde herausgehauenen Thron. Links von ihm lag auf einer Decke nackt und bewusstlos die Frau, die er entführt hatte. Waits hielt den Lauf von Freddy Olivas’ Pistole an ihre Schläfe.
»Keine Angst«, sagte Bosch. »Ich gebe Ihnen meine Waffe. Nur tun Sie ihr nichts mehr.«
Waits lächelte. Er wusste, er hatte die Lage vollkommen unter Kontrolle.
»Bosch, Sie sind und bleiben ein Trottel.«
Bosch senkte den Arm und warf die Pistole rechts neben den Thron. Als Waits nach ihr griff, nahm er den Lauf seiner Pistole vom Kopf der Frau. Im selben Moment ließ Bosch die Taschenlampe fallen und fasste an seinen Rücken, wo er den Revolver stecken hatte, den er der blinden Frau abgenommen hatte.
Wegen seines langen Laufs hatte er eine hohe Zielgenauigkeit. Bosch drückte zweimal ab und traf Waits beide Male mitten in die Brust.
Waits wurde gegen die Wand zurückgeschleudert. Seine Augen wurden groß, und dann wich das Licht aus ihnen, das Leben und Tod voneinander scheidet. Sein Kinn sank nach unten, und sein Kopf kippte nach vorn.
Bosch kroch auf die Frau zu und fühlte ihren Puls. Sie lebte noch. Er deckte sie mit der Decke zu, auf der sie lag. Dann rief er den anderen im Tunnel zu.
»Hier Bosch – RHD! Alles klar! Sie können reinkommen! Raynard Waits ist tot!«
Hinter der Biegung flammte grelles Licht auf Es war ein Blendscheinwerfer, und er wusste, dass dahinter die Männer mit den Waffen warteten.
Trotzdem fühlte er sich jetzt in Sicherheit. Er bewegte sich langsam auf das Licht zu.
DREISSIG
Als er aus dem Tunnel kam, wurde Bosch von zwei Beamten des Einsatzkommandos mit Gasmasken in Empfang genommen und aus der Garage geführt. Sie übergaben ihn den dort bereitstehenden Leuten von der Fahndungsabteilung und anderen mit dem Fall Befassten. Neben Randolph und Osani von der OIS war auch Abel Pratt von Offen-Ungelöst da. Bosch hielt nach Rachel Walling Ausschau, konnte sie aber nirgendwo entdecken.
Als Nächstes kam Waits’ letztes Opfer aus dem Tunnel. Die junge Frau wurde zu einem Krankenwagen getragen und umgehend ins County-USC Medical Center gebracht. Bosch wusste, er würde die Schrecken, die sie durchgemacht hatte, niemals ermessen können. Aber andererseits – Hauptsache war, sie hatte überlebt.
Der Chef des Einsatzkommandos wollte, dass Bosch sich in einen Kastenwagen setzte und den Ablauf schilderte, aber Bosch sagte, er wolle nicht in einem geschlossenen Raum sein. Selbst im Freien, in der Figueroa Lane, bekam er den Geruch aus dem Tunnel nicht aus der Nase, und ihm entging nicht, dass die Männer der Task Force, die sich zunächst dicht um ihn gedrängt hatten, alle ein paar Schritte zurückgewichen waren. An der Treppe, die zum Haus neben Nummer 710 hinaufführte, sah er einen Wasserhahn, an den ein Gartenschlauch angeschlossen war. Er ging darauf zu, hob den Schlauch hoch, drehte den Hahn auf und ließ sich das Wasser über Haar, Gesicht und Nacken laufen. Dabei wurden zwar seine Kleider nass, aber es war ihm egal. Das Wasser spülte viel von dem ganzen Schmutz und Schweiß und Gestank fort, und er wusste, die Kleider wären sowieso zu nichts mehr zu gebrauchen.
Der Anführer des Einsatzkommandos war ein Sergeant namens Bob McDonald, der früher bei der Hollywood Division gearbeitet hatte. Zum Glück kannte Bosch ihn noch aus seiner eigenen Zeit dort. Die Grundvoraussetzungen für eine
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