Echo Park
unterirdischen Gangs gesehen hatte. Und dass sie nie mehr dieselbe sein würde. Er winkte sie zu sich.
»Wie geht’s, Cal?«
»So gut es einem gehen kann, wenn man so was gesehen hat.«
»Ja, ich weiß.«
»Wir werden sicher noch bis spät in den Abend hinein hier sein. Was kann ich für Sie tun, Harry?«
»Haben Sie da drinnen irgendwo ein Handy gefunden? Ich habe meines verloren, als es losging.«
Sie deutete auf den Boden neben dem Vorderreifen des Kastenwagens.
»Ist es das dort?«
Bosch schaute in die angegebene Richtung und sah sein Handy auf dem Betonboden liegen. Das rote Nachrichtenlämpchen blinkte. Er stellte fest, dass jemand auf dem Beton einen Kreidekreis darum gezogen hatte. Das war nicht gut. Bosch wollte nicht, dass sein Handy als Beweismittel inventarisiert wurde. Möglicherweise bekäme er es dann länger nicht zurück.
»Kann ich es wiederhaben? Ich brauche es.«
»Tut mir leid, Harry. Noch nicht. Dieser Bereich wurde noch nicht fotografiert. Wir fangen im Tunnel an und arbeiten uns von dort nach draußen vor. Das wird eine Weile dauern.«
»Wie wäre es dann, wenn Sie es mir geben, damit ich hier telefonieren kann, und Sie kriegen es zurück, wenn Sie die Fotos machen? Es sieht so aus, als wäre eine Nachricht drauf.«
»Harry, ich bitte Sie.«
Er wusste, sein Vorschlag war gleichbedeutend mit einem Verstoß gegen vier Beweissicherungsregeln.
»Na schön, dann geben Sie mir Bescheid, wenn ich es zurückhaben kann. Hoffentlich, bevor der Akku leer ist.«
»Alles klar, Harry.«
Er wandte sich von der Garage ab und sah Rachel Walling auf das gelbe Absperrungsband zugehen, das die Grenze des Tatorts bildete. Dort stand eine FBI-Limousine, und ein Mann in einem Anzug und mit Sonnenbrille wartete auf sie. Anscheinend hatte sie eine Fahrgelegenheit angefordert.
Bosch trabte auf die Absperrung zu und rief ihren Namen. Sie blieb stehen und wartete auf ihn.
»Harry«, sagte sie. »Alles in Ordnung?«
»Inzwischen ja. Und bei dir, Rachel?«
»Alles klar. Wie siehst du denn aus?«
Sie deutete auf seine nassen Kleider.
»Ich musste mich abspritzen. Es war richtig schlimm. Ich muss erst mal mindestens zwei Stunden duschen. Fährst du schon?«
»Ja. Vorerst brauchen sie mich nicht mehr.«
Bosch deutete mit dem Kopf auf den Mann mit der Sonnenbrille, der drei Meter hinter ihr stand.
»Kriegst du Ärger?«, fragte er leise.
»Kann ich im Moment noch nicht sagen. Aber wahrscheinlich nicht. Du hast den Killer erwischt und das Mädchen gerettet. Was soll daran schlecht sein?«
» Wir haben den Killer erwischt und das Mädchen gerettet«, korrigierte Bosch sie. »Aber es gibt in jeder Behörde und öffentlichen Einrichtung Leute, die eine Möglichkeit finden, etwas Gutes ins Gegenteil zu verkehren.«
Sie sah ihm in die Augen und nickte.
»Ich weiß.«
Ihr Blick ließ ihn stutzen, und er merkte, dass sich etwas in ihrer Beziehung verändert hatte.
»Bist du sauer auf mich, Rachel?«
»Sauer? Nein.«
»Was dann?«
»Nichts dann. Ich muss jetzt los.«
»Rufst du an?«
»Wenn ich kann. Wiedersehen, Harry.«
Sie machte zwei Schritte auf das wartende Auto zu, blieb aber noch einmal stehen und drehte sich wieder zu ihm um.
»Das war doch O’Shea, mit dem du eben gesprochen hast, oder?«
»Ja.«
»Sei vorsichtig, Harry. Wenn du dich weiter so von deinen Emotionen leiten lässt, wie du das heute getan hast, könnte dich O’Shea in eine Welt voller Schmerz befördern.«
Bosch lächelte.
»Weißt du, was manche Leute über den Schmerz sagen?«
»Nein – was?«
»Sie sagen, Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Dann reden diese Leute einen Haufen Schwachsinn. Versuche jedenfalls nicht, die Probe aufs Exempel zu machen, wenn du nicht unbedingt musst. Wiedersehen, Harry.«
»Bis dann, Rachel.«
Er sah zu, wie der Mann mit der Sonnenbrille das Band hochhielt, damit sie sich darunter hindurchducken konnte. Sie stieg auf der Beifahrerseite ein, und die Sonnenbrille setzte sich ans Steuer und fuhr los. Bosch wusste, etwas hatte sie einander entfremdet. Sein Verhalten in der Garage und die Tatsache, dass er in diesen Tunnel hineingegangen war, ließen ihn plötzlich in einem anderen Licht erscheinen. Er akzeptierte es und rechnete damit, sie möglicherweise nie wiederzusehen. Er fand, das war ein weiterer Punkt, den er Rick O’Shea anlasten müsste.
Er drehte sich zum Tatort um, wo Randolph und Osani standen und auf ihn warteten. Randolph
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