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Echo Park

Echo Park

Titel: Echo Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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wusste, er schuldete ihr einen Anruf, wollte damit aber warten, bis er zu Hause war. Auch eine Nachricht von Irene Gesto war darunter, und Bosch vermutete, dass sie und ihr Mann wissen wollten, ob es irgendetwas Neues über die Ermittlungen gab. Er hatte sie am Abend zuvor angerufen, um ihnen mitzuteilen, dass ihre Tochter gefunden und die Identität bestätigt worden war. Diesen Zettel steckte er in seine Hosentasche. Beurlaubung hin oder her, er würde sie zurückrufen. Nach Abschluss der Autopsie würde die Leiche freigegeben, sodass sie nach dreizehn Jahren endlich ihre Tochter nach Hause holen konnten. Er konnte ihnen zwar nicht verkünden, dass der Mörder ihrer Tochter seiner gerechten Strafe zugeführt worden war, aber wenigstens hatte er ihnen helfen können, sie heimzubringen.
    Eine Nachricht war von Jerry Edgar, und Bosch fiel ein, dass ihn sein ehemaliger Partner unmittelbar vor Beginn der Schießerei in Echo Park auf seinem Handy zu erreichen versucht hatte. Der Kollege, der den Anruf entgegengenommen hatte, hatte Ist angeblich wichtig auf den Zettel geschrieben und zweimal unterstrichen. Bosch sah nach dem auf dem Zettel vermerkten Zeitpunkt des Anrufs und stellte fest, dass er ebenfalls kurz vor den Schüssen in der Figueroa Lane eingegangen war. Demnach hatte Edgar nicht angerufen, um ihm zu gratulieren, dass er Waits aus dem Verkehr gezogen hatte. Vermutlich hatte Edgar gehört, dass Bosch seinen Cousin kennengelernt hatte, und wollte einfach ein bisschen darüber quatschen. Im Moment war Bosch aber nicht danach.
    Die anderen Nachrichten interessierten Bosch nicht, weshalb er sie alle einsammelte und in eine Schreibtischschublade legte. Nachdem es sonst nichts mehr zu tun gab, ordnete er die Papiere und Akten auf seinem Schreibtisch. Er erwog, bei der Spurensicherung anzurufen, ob er sein Handy und sein Auto vom Tatort in Echo Park zurückhaben könnte.
    »Sie haben gerade angerufen.«
    Bosch blickte auf. Pratt stand in der Tür seines Büros. Er war in Hemdsärmeln, die Krawatte hing lose von seinem Hals.
    »Wer hat angerufen?«
    »Die OIS. Sie sind immer noch beurlaubt, Harry. Ich muss Sie nach Hause schicken.«
    Bosch blickte wieder auf seinen Schreibtisch.
    »Weiß ich. Bin schon am Gehen.«
    Pratt sah Bosch kurz schweigend an und versuchte, seinen Tonfall zu deuten.
    »Alles okay, Harry?«, fragte er schließlich versuchsweise.
    »Nein, gar nichts ist okay. Das Ganze ist ein abgekartetes Spiel, und irgendjemand hält die Hand drüber. Und das ist nicht okay. Nicht annähernd.«
    »Was sagen Sie da? Wollen die etwa Olivas und O’Shea decken?«
    Bosch schaute zu ihm auf.
    »Ich glaube nicht, dass ich mit Ihnen darüber sprechen sollte, Chef. Dadurch könnten Sie ebenfalls in die Schusslinie geraten, und ich glaube nicht, dass Sie das wollen.«
    »So ernst ist es denen also, hm?«
    Bosch zögerte, aber dann antwortete er doch.
    »Ja, es ist ihnen ernst. Sie werden auch nicht davor zurückschrecken, mich zu verheizen, wenn ich nicht mitspiele.«
    An diesem Punkt machte er Schluss. Er wollte dieses Gespräch nicht mit seinem Vorgesetzten führen. In Pratts Position hatte man die Leiter hinauf und hinunter Verpflichtungen. Da spielte es auch keine Rolle, dass er nur noch ein paar Wochen bis zu seiner Pensionierung hatte. Pratt musste das Spiel so lange mitspielen, bis der Schlusspfiff kam.
    »Die haben mein Handy noch, es ist Bestandteil des Tatorts«, sagte er und griff nach dem Telefon. »Ich bin nur reingekommen, um kurz zu telefonieren, dann bin ich auch schon wieder weg.«
    »Ich frage mich sowieso schon die ganze Zeit, was mit Ihrem Telefon ist«, sagte Pratt. »Ständig versuchen irgendwelche Kollegen anzurufen, und alle sagen, Sie gehen nicht ans Telefon.«
    »Die Spurensicherung hat mir nicht erlaubt, das Handy vom Tatort zu entfernen. Das Handy nicht und das Auto auch nicht. Was wollten sie?«
    »Ich glaube, sie wollten Sie auf einen Drink im Nat’s einladen. Könnte sein, dass sie sich trotzdem dort treffen.«
    Das Nat’s war eine Bar am Hollywood Boulevard. Es war keine ausgesprochene Polizistenkneipe, aber trotzdem konnte man dort nach Dienstschluss immer einige Cops antreffen. Jedenfalls so viele, dass sich die Geschäftsleitung veranlasst gesehen hatte, die widerborstige Version von »I Fought the Law« von The Clash mittlerweile schon zwanzig Jahre in der Musikbox zu lassen. Bosch wusste, dass die Punkhymne in voller Lautstärke abgespielt würde, sobald er das Nat’s betrat – zu

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