Echte Morde
gut wie er), und trotzdem plagte mich das ungute Gefühl, jeder hier im Raum verfolge seine eigenen Absichten. Außer meine Mutter vielleicht, die leider nicht auf den Kopf gefallen war, wenn es galt, sexuelle Schwingungen aufzufangen und mir urplötzlich einen strahlenden Blick zuwarf, der wohlwollende Zustimmung signalisieren sollte und auf den ich gut hätte verzichten können, da Detective Liggett ihn ebenfalls mitbekam und ganz gewiss auf ihre eigene Art interpretierte.
Nach diesem Blick schien Mutter gewillt, dem Gespräch ein Ende zu bereiten. Sie nahm ihre Handtasche und erhob sich.
„Meiner Tochter geht es gut, mir geht es gut, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass mein geschiedener Mann mir diese Pralinen geschickt hat oder dass er plante, einem von uns etwas anzutun", verkündete sie entschieden. „Er betet Aurora an, und die Beziehung zwischen ihm und mir läuft in sehr zivilisierten Bahnen. Unsere kleinen Familientraditionen sind kein Geheimnis, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass niemand mitbekam, wie sehr wir uns jahrelang an Weihnachten über die Pralinen aus St. Louis gefreut haben. Vermutlich habe ich viele Leute mit meinen Lobreden auf diese Pralinen zu Tode gelangweilt. Falls wirklich etwas in den Süßigkeiten ist und Sie herausfinden, was, sind wir natürlich sehr an den Ergebnissen interessiert. Vielleicht sollten uns die Löcher aber auch nur einen Schrecken einjagen, und es handelt sich hier um einen recht derben, handfesten Streich. Ich danke Ihnen jedenfalls herzlich für Ihr rasches Kommen, muss jetzt aber zurück in mein Büro."
Als ich ebenfalls aufstand, fühlte Lynn Liggett sich genötigt, mit uns zur Tür zu gehen.
Meine Mutter stieg in ihr Auto, während Arthur und Lynn sich auf der Terrasse berieten. Robin wusste anscheinend nicht recht, was er tun sollte. Dass Arthur ihn so von Mann zu Mann herausgefordert hatte, ganz gleich, wie subtil, hatte ihn wohl überrascht, und er beäugte nachdenklich meinen Herd, allerdings ohne diesen wirklich zu sehen. Wahrscheinlich fragte er sich gerade, wo er hier wohl hineingeraten war und ob diese Mordermittlung wirklich so viel Spaß machen würde, wie er gedacht hatte.
Plötzlich hatte ich von allen die Nase voll. Vielleicht war ich, was Verabredungen anging, nie der große Hit gewesen, weil es mir an Esprit mangelte - es konnte aber auch sein, dass es mir einfach an Toleranz für die damit verbundenen Spielchen gebrach. Für dieses ganze Taxieren und Signale senden, all die komplizierten Manöver, die offenbar zu einem erfüllten gesellschaftlichen Leben dazugehörten. Meine Freundin Amina war völlig vernarrt in diese Spielchen und fast schon Profi darin. Mit einem Mal sehnte ich mich heftig und verzweifelt nach ihr.
„Essen Sie doch am Montag in der Stadt mit mir zu Mittag", schlug Robin vor, der derweil zu einer Entscheidung gekommen war.
Darüber musste ich nachdenken. „Gut!", sagte ich dann. „Ich bin neulich für eine Kollegin eingesprungen, die mit ihrem Kind zum Kieferorthopäden musste, also gehe ich am Montag erst um zwei Uhr zur Arbeit."
„Kennen Sie sich auf dem Campus aus? Natürlich - Sie haben ja dort studiert! Ich schlage vor, wir treffen uns im Fachbereich Englisch, in der Tarkington Hall. Ich bin im Seminarraum sechsunddreißig, wo ich bis viertel vor zwölf einen Kurs in kreativem Schreiben abhalte. Wenn es Ihnen recht ist, holen Sie mich ab, und wir sehen von da aus weiter."
„Das ist mir recht. Bis dann."
„Wenn Sie mich für irgendetwas brauchen, ich werde morgen den ganzen Tag über daheim sein und den Unterricht vorbereiten."
„Danke."
Im Haus klingelte das Telefon. Ich wandte mich um, um den Anruf entgegenzunehmen. Robin strebte zur Gartenpforte, wobei er den Detectives zum Abschied lässig zuwinkte. Am Telefon verlangte eine erregte Stimme nach Arthur. „Arthur? Telefon!", rief ich. Lynn Liggett hatte sich scheinbar wieder gefangen und kniff nur kaum merklich die Lippen zusammen. Oh! Wie dumm von mir! Ich hätte Arthur wohl lieber Detective Smith nennen sollen!
Während Arthur sich im Haus mit dem Anrufer unterhielt, goss ich meine Rosenbäumchen. Lynn sah mir nachdenklich zu. Das Schweigen zwischen uns wirkte reichlich spröde, und bestimmt war es für Smalltalk noch viel zu früh, aber ich versuchte es trotzdem.
„Wie lange sind Sie denn schon bei der Polizei hier in Lawrenceton?", fragte ich.
„Etwa drei Jahre. Ich fing als Streifenpolizistin an und wurde
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