Echte Morde
Mutter geschickten Pralinen Rattengift enthielten. Mutter wäre es schlecht ergangen, hätte sie die Praline verschluckt, ohne den Geschmack rechtzeitig zu bemerken und die Schokolade wieder auszuspucken. Wäre ihr Geschmackssinn aus irgendwelchen Gründen so gestört gewesen, dass sie es geschafft hätte, drei Pralinen zu verzehren, dann hätte sie das unter Umständen nicht überlebt.
Aber man hatte diesem Rattengift ganz bewusst einen starken Geruch und beißenden Geschmack beigegeben, um genau so etwas zu verhindern, weshalb man den Versuch, Mutter zu vergiften, eigentlich nur als halbherzig und amateurhaft einstufen konnte.
Dann fand Lynn Liggett in Arthurs Auto eine angebrochene Packung Rattengift.
Der Beamte, der die telefonische Nachricht vom Labor entgegengenommen und an die Ermittler weitergeleitet hatte, hieß Paul Allison und war der Bruder des Mannes, mit dem Sally vor Jahren einmal verheiratet gewesen war. Er war mit Sally befreundet und machte sich nicht viel aus Arthur. Paul Allison stand gerade auf dem Parkplatz der Polizeiwache und wurde so Zeuge, wie Lynn in Arthurs Wagen langte, um das Notizbuch zu holen, das sie dort liegengelassen hatte, und wie sie unter ihrem Notizbuch die angebrochene Packung Rattengift fand. Lynn dachte, Arthur hätte sich aus irgendeinem Grund eine Probe des Giftes besorgt und hielt die Packung hoch, sodass Allison sie sehen konnte. Erst in diesem Moment spürte sie wohl, dass etwas nicht stimmte und versuchte ganz instinktiv, die Packung verschwinden zu lassen.
Aber Paul Allison hatte das Rattengift gesehen. So konnte niemand mehr vertuschen, dass und wo Lynn es gefunden hatte. Arthur hatte allerhand zu erklären, und Lynn, die von Zeit zu Zeit mit ihm gefahren war, ebenfalls.
Auch Allison fühlte sich danach, Erklärungen abzugeben, und zwar Sally gegenüber. Er rief sie eine Stunde nach dem Fund in Arthurs Auto an, und am nächsten Tag konnte jeder, der es wollte, ihre gesamte Story in der Zeitung lesen.
Sallys Geschichte war eine Sensation. Bestimmt verdient. Sally Allison, eine Zeitungsfrau mittleren Alters, die beileibe nicht erst seit ein paar Tagen im Metier war, hatte es endlich geschafft, einen Knüller zu landen. Sie hatte die Geschichte gefunden, hinter der sie ihr Leben lang hergewesen war, und sie stürzte sich darauf, ohne Rücksicht auf Verluste.
Die lokalen Reporter der anderen Blätter hatten zwar noch nichts von der „Parallelentheorie" mitbekommen, waren sich aber durchaus der Tatsache bewusst, dass im guten alten Lawrenceton mit seiner traditionell niedrigen Mordrate Seltsames vor sich ging. Einer dieser Schreiberlinge, eine Frau, hörte gerade den Polizeifunk ab, als die Nachricht vom Leichenfund im Hause Buckley einging. Während die Streifenwagen sich auf den Weg machten, legte die Reporterin einen Film in ihre Kamera, hielt noch kurz an der nächsten Tankstelle, um ihren Wagen volltanken zu lassen und kurvte dann langsam die Parson Road hinauf, bis sie das Haus der Buckleys entdeckte. Vor diesem Haus hockte ganz in sich zusammengesunken eine große, schöne Frau mit Blut an den Beinen, daneben eine kleine Bibliothekarin mit großer Brille und finsterer Miene, die schützend den Arm um die große Schöne gelegt hatte. Ich sah so finster aus, weil ich gewaltsam einen Brechreiz unterdrücken musste, denn Lizanne stank nach Erbrochenem.
Wie dem auch sei: Die Reporterin schaffte es, noch vor dem Eintreffen der Polizei ein Bild von Lizanne und mir zu schießen, das noch am Abend desselben Tages die Titelseite der Regionalbeilage einer der großen Abendzeitungen zierte. Die Reporterin hatte ihre Hausaufgaben gemacht, die Schlagzeile unter dem Bild lautete korrekt: „Elizabeth Buckley sitzt völlig verstört vor dem Haus ihrer Eltern, deren Leichen sie soeben entdeckt hat.
Aurora Teagarden, die letzten Freitag die Leiche von Mrs. Gerald Wright entdeckte, tröstet sie."
Während ich also am Nachmittag nach dem grauenhaften Fund im Haus der Buckleys wie in Trance meine Arbeitsstunden in der Bücherei herumbrachte, hatten Zeitungsleute meine Wohnung und das Büro meiner Mutter ins Visier genommen.
Niemandem war in den Sinn gekommen, dass ich einfach wieder zur Arbeit gehen könnte, nachdem ich Lizanne „getröstet" hatte.
Die Zeitung war noch nicht erschienen, als ich nach Hause kam, und so hatte ich das Bild von Lizanne und mir noch nicht sehen können, aber auf meinem Parkplatz hinter unserem Hauskomplex wartete der Übertragungswagen eines
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