Echte Morde
Fernsehsenders. Die Fernsehleute hatten früh Wind von der Sache bekommen; und da Lizanne im Krankenhaus lag und nicht ansprechbar war, und Arthur und Lynn nach der Entdeckung der Packung Rattengift auf der Polizeiwache alle Hände voll zu tun hatten, blieben als Objekte der Begierde für die Presse eigentlich nur noch meine Mutter und ich übrig.
Das heißt: bis die Fernsehcrew Robin entdeckte, der gerade aus der Uni nach Hause kam. Anscheinend war der Reporter ein großer Krimifan und erkannte Robin sofort, da er auch wusste, dass dieser an der Universität für den Kollegen eingesprungen war, der einen Herzinfarkt erlitten hatte. Im Nu richtete sich die Kamera auf Robin, und der Reporter ließ sich ein paar Fragen einfallen. Robin handhabte die Sache souverän, er war Interviews ja gewöhnt, und blieb höflich, ohne viele Informationen preiszugeben. Ich durfte ihn dann später in den Abendnachrichten bewundern.
Leider klappte die Ablenkung nicht so perfekt, dass den Fernsehleuten mein Heimkommen entging. Ich mochte es als meine Pflicht ansehen, mit der Polizei zu reden, aber diesen Leuten brauchte ich nicht Rede und Antwort zu stehen. Einer von ihnen hatte eine frühe Ausgabe der Abendzeitung dabei, und als ich zögernd aus meinem Wagen stieg, fest entschlossen, ohne Kommentar in mein Haus zu gehen und mir das längste, heißeste Bad in der Geschichte der Badekultur zu gönnen, streckte er sie mir entgegen. Dazu erklärte er auch irgendetwas, aber ich weiß nicht mehr, was. Ich war viel zu erschrocken vom Anblick der armen Lizanne, um zuhören zu können. Ich fühlte mich umzingelt, und das war ich auch, selbst wenn die Fernsehcrew letztendlich nur aus drei Leuten bestand und nicht aus dreißig, wie mein Kopf mir einzureden versuchte.
Ich war völlig fertig und außerstande, mit der Situation umzugehen.
„Ich möchte nichts sagen", stotterte ich nervös in die laufende Kamera. Der Reporter war ein hübsches Kerlchen mit einem gewinnenden Lächeln, und ich wollte, mehr als ich je in meinem Leben etwas gewollt habe, dass er mir aus dem Weg ging. Ich stand ganz kurz vor einem hysterischen Anfall. Robin beschloss, mich zu retten. Er baute sich hinter der Gruppe auf, die vor meinem Gartentor stand und bedeutete mir, einfach zwischen den Männern hindurchzugehen. Einen Augenblick lang fragte ich mich ängstlich, ob die mich überhaupt durchlassen würden, aber sie traten brav beiseite, sodass ich zwischen ihnen hindurch zu Robin hinüberhuschen konnte. Er schlang den Arm um mich, wir wandten dem Team den Rücken zu und eilten Richtung Gartentor.
Ich wusste, die Kamera lief noch — Krimiautor und Bibliothekarin wohnen Tür an Tür, sie ist seine Vermieterin! —, und mein Verantwortungsgefühl, gepaart mit einer Portion neu erwachten Schneids, meldete sich zu Wort. Ich drehte mich um und stellte mich der Kamera.
„Dies ist Privatbesitz. Er gehört meiner Mutter, die ich in diesem Wohnkomplex vertrete", verkündete ich drohend. „Sie halten sich ohne Erlaubnis auf unserem Grundstück auf. Damit verstoßen Sie gegen das Gesetz." Letzteres sagte ich, als sei es ein Zauberwort, und es schien auch tatsächlich entsprechend anzukommen, denn die Crew kletterte in ihren Van, um davonzufahren. Ich war unglaublich zufrieden mit mir, allerdings auch ein wenig überrascht, als ich Robin ansah und feststellen musste, dass er mich anstrahlte wie ein stolzer Vater.
„So ist es recht, zeig's ihnen, Aurora!", meinte er bewundernd.
„Ich weiß es zu schätzen, dass du mich da draußen auf dem Parkplatz beschützt hast, Robin", fuhr ich ihn an, „aber behandle mich verdammt noch mal nicht so gönnerhaft!" Ich schüttelte seinen Arm ab und schaffte es ins Haus, ohne in Tränen auszubrechen.
Später rief Arthur an, um mir die finstere Geschichte mit dem Rattengift zu erzählen. „Wer immer das Arschloch auch sein mag, er spielt seine Spielchen, und jetzt ist er zu weit gegangen", beendete er seine Geschichte.
Ich persönlich fand ja, der Mörder sei spätestens mit dem Mord an den Buckleys zu weit gegangen.
Nachdem ich Arthur bedauert hatte, wie er es wohl von mir erwartete, klärte ich ihn über die Medienprobleme auf, mit denen ich mich konfrontiert sah. Diverse Anrufe hatten mein wundervolles heißes Bad gestört, und es war längst nicht so entspannend ausgefallen, wie ich es mir erträumt hatte. Ich hatte den Hörer nur deswegen immer wieder aufgelegt, weil ich dachte, es könnte jemand anrufen, dessen Stimme ich
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