Ecstasy: Drei Romanzen mit chemischen Zusätzen (German Edition)
Krankenhaus wartete das ganze Trara und Palaver um die Aufnahmeformalitäten für das alte Mädchen. Ja, höchste Zeit, dass sie gespritzt wurden, unbedingt.
Dann wurde Perkys Aufmerksamkeit auf das Manuskript gelenkt, das auf dem Sofatisch lag. Auf dem Deckblatt war schokoladiges Erbrochenes. Mit einigem Widerwillen wischte er das Schlimmste mit dem Taschentuch ab und legte das gewellte, feuchte Papier darunter frei.
Er schlug die Seiten auf und begann zu lesen.
5 Ohne Titel– Erste Fassung (Miss-May-Regencyroman Nr. 14)
Seite 1
Es bedurfte nur des bescheidensten Feuers im Kamin, um das kleine, beengte Schulzimmer im alten Pfarrhaus von Selkirk zu heizen. Dies war ein Umstand, zu dem sich der Gemeindepfarrer, Reverend Andrew Beattie, ein Mann von ausgeprägter Genügsamkeit, stets aufs Neue beglückwünschte.
Andrews Frau, Flora, war so überschwänglich extravagant, wie er genügsam war. Sie wusste und akzeptierte, dass sie in bescheidene Verhältnisse geheiratet hatte und die Geldmittel knapp waren, aber wiewohl sie gelernt hatte, im Umgang mit den Dingen des täglichen Lebens das zu sein, was ihr Gatte stets als »praktisch« zu umschreiben pflegte, hatten diese Lebensumstände die Extravaganz des Geistes, die ihrem Wesen eigen war, nicht brechen können. Weit davon entfernt, dies zu missbilligen, betete Andrew sie dafür umso mehr an. Allein der Gedanke, dass diese wunderbare und schöne Frau die fashionable Gesellschaft in London für ein Leben aufgegeben hatte, wie er es ihr bieten konnte. Dieser Gedanke bestärkte ihn im Glauben an die Wahrhaftigkeit seiner Berufung und die Reinheit ihrer Liebe.
Ihre beiden Töchter, die vor dem Kaminfeuer kauerten, hatten Floras extravagantes Temperament geerbt. Agnes Beattie, eine porzellanhäutige Schönheit, mit ihren siebzehn Jahrendie ältere, schob ihr rabenschwarzes Haar zurück, um sich einen ungehinderten Blick auf den Inhalt des Ladies Monthly Museum zu gestatten.– Hier ist die entzückendste Abendrobe! Schau nur, Margaret, rief sie unbeherrscht und hielt ihrer ein Jahr jüngeren Schwester, die müßig in den spärlichen Kohlen im Kamin stocherte, die Abbildung hin,– ein Mieder aus blauem Satin, über der Brust von Diamantknöpfen gehalten!
Margaret sprang auf und versuchte, ihrer Schwester die Zeitschrift zu entwinden. Agnes verstärkte ihren Griff, dann machte ihr Herz einen kleinen Sprung, aus Sorge, die Zeitschrift könne zerreißen, aber ihr Tonfall blieb bewundernswert herablassend, als sie lachend sagte:– Aber, liebe Schwester, du bist viel zu jung, um dich mit Derartigem zu befassen!
– Oh, bitte, so gib doch her!, bettelte Margaret ihre Schwester an, noch während sie selbst ihren Griff lockerte. In ihrer leichtfertigen Tändelei entging den beiden Mädchen das Eintreten ihrer neuen Gouvernante. Die schlanke, altjüngferliche englische Dame spitzte die Lippen und schnalzte missbilligend.– Das also ist das Betragen, das ich von den Töchtern meiner lieben Freundin Flora Beattie zu erwarten habe! In Zukunft werde ich es mir zweimal überlegen müssen, ehe ich den Raum verlasse!
Die Mädchen blickten beschämt, aber Agnes war der neckende Tonfall in der Zurechtweisung der Gouvernante nicht entgangen.– Aber, Madam, wenn ich in die Gesellschaft eingeführt werden soll, und das in London, muss ich mir Gedanken über meine Garderobe machen!
Die Frau betrachtete sie.– Erziehung, Bildung und gefällige Umgangsformen sind wichtigere Qualitäten für eine junge Dame bei ihrem ersten Auftreten in der besseren Gesellschaft als die Einzelheiten der Toilette, die sie trägt. Hatten Sie sich vorgestellt, Ihre liebe Mama oder Ihr Herr Vater, der guteReverend, so nachsichtig er auch ist, würden es zulassen, dass Sie sich auf einem Londoner Ball derart zur Schau stellen? Überlassen Sie die Sorge für Ihre Garderobe nur ruhig diesen fähigen Händen, liebes Mädchen, und widmen Sie Ihre Aufmerksamkeit drängenderen Fragen!
– Ja, Miss, sagte Agnes.
Dieses Mädchen hat einen unbezähmbaren Zug an sich, dachte Miss May, genau wie ihre liebe Mama, die der Gouvernante seit vielen Jahren eine gute Freundin war– genau gesagt, seit der Zeit, da Amanda May und Flora Kirkland gemeinsam in London debütiert hatten.
Perky schleuderte das Manuskript wieder auf den Sofatisch.– Was für ein galoppierender Schwachsinn, sagte er laut, dann,– Absolut erstklassig! Die alte Kuh ist in Bestform. Damit scheffelt sie das nächste beschissene Vermögen für uns!
Weitere Kostenlose Bücher