Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
salziger Wind landeinwärts. Ich fuhr am Bahnhof vorbei und lenkte den Wagen in die Einfahrt des Bayview Hotel. Dort war eine elegante Hochzeitsfeier in vollem Gange, und die Gäste, die von der Tanzfläche geflüchtet waren – die Männer in leicht zerknitterten Anzügen, die Frauen in tadellosen dunkelgrauen und auberginefarbenen Kostümen –, standen auf der Terrasse oder saßen im Hotelgarten und rauchten. Ich parkte den Wagen und ging an die Rezeption, wo der Fernseher gerade den Tod von Seosamh MacLiam verkündete.
Bevor ich losgefahren war, hatte Tommy Owens mir von seiner Vermutung erzählt, dass das Geld – ein »Sack voll Geld«, wie er sagte – als eine Art Geschenk der Halligans an Peter Dawson gedacht war. Wofür genau, wusste er nicht, aber die Halligans betrieben einen ganz legalen Baustellensicherheitsdienst und arbeiteten für Bauunternehmen an der ganzen Südküste; vielleicht war es also ein kleiner Vorgeschmack auf künftige Tätigkeiten dieser Art oder auch eine Bestechung, damit Peter sie weiterhin beauftragte. Tommy wies es weit von sich, George Halligans Laufbursche zu sein, und beteuerte, es sei das einzige Mal gewesen, dass er so etwas übernommen habe. Wir einigten uns darauf, dass es wohl das Beste war, wenn er die Nacht über in Quarry Fields blieb.
Ich besorgte mir ein Telefonbuch, setzte mich damit unter einen alten Eukalyptusbaum hinter dem Hotel, bestellte ein Guinness bei einer Kellnerin, die gerade vorbeikam, und arbeitete mich durch die Liste der Stadträte und Verwaltungsangestellten. Das nahm einige Zeit in Anspruch, weil es für die meisten Namen mehrere Einträge gab. Drei standen gar nicht im Telefonbuch: Leo McSweeney, Angela Mackey und der Bauplaner James Kearney. Brian Joyce und Mary Rafferty waren nicht zu Hause, aber ich bekam ihre Büronummern, um sie am nächsten Tag anzurufen.
Abzüglich MacLiam-Williamson blieben damit acht Anrufe. Lokalpolitiker sind überall gleich und empfinden es als Zumutung, dass die Medien nicht so detailliert über ihre vielfältigen Ansichten und Aktivitäten berichten, wie sie es ihrer Meinung nach verdient hätten. Also meldete ich mich als Sean O’Brien von der Irish Times und erkundigte mich nach Reaktionen auf den Tod ihres Kollegen Seosamh Mac-Liam. Die ersten sechs reagierten ganz ähnlich: Sie waren entsetzt, schockiert und gaben eine kurze Würdigung ab, die je nach politischer Überzeugung mehr oder weniger überschwänglich ausfiel. Ich fragte alle, ob ihnen MacLiams enge Beziehung zu Peter Dawson für einen Baugegner nicht seltsam vorgekommen sei. Noel Lavelle, Conor Gogan, Christine Kelly, Tom Farrelly, Eamonn Macdonald und Brendan Harvey behaupteten allesamt, nichts davon zu wissen, und Lavelle und Harvey fügten noch hinzu, sie könnten nicht glauben, dass eine solche Beziehung überhaupt bestanden habe. Beide hatten eng mit MacLiam zusammengearbeitet, an verschiedenen Einsprucherklärungen gegen Bauvorhaben und Umnutzungen, zuletzt noch an der Kampagne zum Erhalt des Freibades. Lavelle sagte sogar, MacLiam sei Baugegner »mit Leib und Seele« gewesen, was mich an Rory Daggs Charakterisierung erinnerte.
Dann rief ich Eithne Wall an, aber offenbar war mir jemand zuvorgekommen. Sie hatte sich bereits bei der Irish Times erkundigt und erfahren, dass es dort keinen Reporter namens Sean O’Brien gab. Sie erklärte, sie habe eine Rufnummernanzeige an ihrem Telefon und werde meine Nummer der Polizei weitergeben. Ich wusste zwar, dass mein Handy die Nummer nicht übermittelte, legte aber trotzdem auf. Offenbar hatte mindestens einer der sechs Verwaltungsbeamten, mit denen ich bisher gesprochen hatte, etwas zu verlieren. Wenn ich den Letzten auf meiner Liste vor ihm erreichen wollte, musste ich mich beeilen.
John O’Driscoll sprach mit angestrengtem, leicht manieriertem Dubliner Akzent und drückte sich so präzise und förmlich aus, als würde er seiner Sekretärin etwas diktieren. Außerdem klang er nervös, und ich beschloss herauszufinden, ob das einen Grund hatte.
»Councillor O’Driscoll, hier ist Sean O’Brien von der Irish Times. Nach dem Mord an Councillor MacLiam fragen wir uns, warum Ihr Name immer wieder im Zusammenhang mit Peter Dawson von der Baufirma Dawson Construction genannt wird.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Councillor O’Driscoll?«
»Ich war immer gern bereit, der öffentlichen Meinung Gehör zu schenken, wenn es um stadtplanerische und bauliche Entscheidungen geht, und ich war stets
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