Edelmann und Satansfreund
nicht mehr in seiner Urform. Es wurde verkauft. Die Familie, die jetzt darin lebt, vermietet Wohnungen an Kurgäste. Das ist alles anders.«
»Und trotzdem wirst gerade du von dieser Gestalt verfolgt?«
»Ja, das stimmt.« Sie bekam eine Gänsehaut. »Es ist unheimlich und schrecklich…«
»Pardon, aber wem hast du davon erzählt?«
Ihre großen, blauen Augen blickten mich erstaunt an. »Keinem. Außer dir natürlich.«
»Das ist gut.«
»Warum?«
»Somit können wir irgendwelchem Gerede aus dem Weg gehen.«
»Aber du glaubst mir doch, nicht?«
»Selbstverständlich glaube ich dir, Hilde. Wäre ich sonst gekommen?«
»Ja, stimmt.« Der besorgte Ausdruck verschwand wieder aus ihrem Gesicht. Sie wollte noch etwas sagen, aber das Essen wurde gebracht, und meine Augen gingen mir über, als ich den gut mit Maultaschen und Linsen gefüllten Teller sah, von dem mir ein herrlicher Duft in die Nase stieg und meinen Appetit anregte.
»Guten Appetit!« wünschte die Kellnerin und lächelte. »Sie werden von unserer Küche begeistert sein.«
»Das denke ich auch.«
Hildes Salat sah auch gut aus. Wir vergaßen das Thema und aßen. Ich leerte den Teller völlig, und als ich mich zurücklehnte, da hatte ich zugenommen. Das glaubte ich jedenfalls. Beim Essen schwitzen und beim Arbeiten frieren. Dieses Sprichwort traf in diesem Fall auf mich zu, denn ich mußte mir den Schweiß aus dem Gesicht wischen.
»Zieh doch deine Jacke aus, John.«
»Geht nicht. Ich bin bewaffnet.«
Hilde erschrak. Dann lächelte sie. »Pardon, ich vergaß, daß ich es mit einem Polizisten zu tun habe.«
»Auch wir sind Menschen. Aber ich brauche jetzt einen Schnaps. Autofahren muß ich ja nicht – oder?«
»Nein, aber einen Spaziergang machen.«
»Das ist gut.«
Ich entschied mich für einen Aquavit, der wie tauendes Eis durch meine Kehle rann. Es war einfach gemütlich, es war wunderbar.
Das Sonnenlicht hatte seinen Weg durch die Fenster gefunden und erhellte den Gastraum an verschiedenen Stellen. Da konnte man einfach nur gute Laune haben. Aber ich war nicht gekommen, um Urlaub zu machen, obwohl ich mich jetzt hätte hinlegen und ein Nickerchen machen können.
»Du siehst richtig entspannt aus«, sagte auch Hilde.
»Das bin ich auch.«
Hilde schenkte mir ein verlorenes Lächeln. »Das wird sich wohl leider ändern, glaube ich.«
»Möglich, Hilde. Nur sind wir dem Motiv noch nicht näher gekommen. Ich weiß immer noch nicht, weshalb du verfolgt wirst. Nicht einmal die geringste Ahnung habe ich.«
»Da geht es dir wie mir.«
»Müßten wir eventuell die Vergangenheit aufarbeiten?«
Sie atmete durch die Nase ein. »Das ist eine Theorie, die viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Ich bin sicher, daß das Auftauchen des Ritters in einem Zusammenhang steht, aber ich kann mir den Kopf zerbrechen, wie ich will. Eine Lösung kenne ich nicht. Deshalb sollten wir gleich zur Ruine gehen.«
»Das hatte ich sowieso vor. Der erste Eindruck ist immer wichtig.«
»Nur möchte ich dich gleich warnen«, sagte sie. »Ich glaube nämlich nicht, daß wir den Ritter sehen werden.«
»Was macht dich so sicher?«
»Am Tag?« flüsterte sie mir über den Tisch hinweg zu. »Das ist doch ein Gespenst. Und Gespenster zeigen sich nicht am Tag. Gerade du solltest das wissen.«
Ich wiegte den Kopf. »Nun ja, ich weiß nicht so recht. Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Wir sollten uns überraschen lassen. Und allein werden wir wohl auch nicht sein. Ich kann mir denken, daß die Ruine gut besucht wird.«
»Stimmt.«
»Lieber wäre es mir, wenn wir allein wären.«
»Das kann ich nicht garantieren, John. Aber um die Mittagszeit ist nie zuviel Betrieb.«
»Okay, gehen wir. Ich möchte noch zahlen, mir danach mein Zimmer ansehen und…«
»Moment mal, John, Moment. Alles, was du oder was wir hier zu zahlen haben, werde ich übernehmen. Kein Widerspruch, ich gehöre nicht zu den ärmsten Menschen.«
»Einverstanden.«
Hildegard von Zavelsreuth winkte der Kellnerin, gab ihr ein Trinkgeld und unterschrieb die Rechnung. Ich dachte derweil über ihren Namen nach.
Er wollte mir einfach nicht aus dem Sinn, und ich versuchte, zwischen ihm und dem Begriff Zavelstein eine Brücke zu schlagen, was mir leider nicht gelang. Es gab da etwas, aber Details mußten wir noch herausfinden.
Karin Brandenburg gab mir den Schlüssel. Sie stand nicht mehr allein hinter der Theke. Ihr Mann hatte sich zu ihr gesellt. Er begrüßte mich freundlich. Er trug die Kleidung eines
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