Edelmann und Satansfreund
tauchte erst im Burghof lauf.«
»Schade, daß er nicht in den Wassergraben unter der Brücke gefallen ist.«
»Auch das hätte er überlebt. Ich denke mir, daß er gar nicht zu töten ist. Er ist ja schon tot, aber er findet keine Ruhe oder so ähnlich. Ich weiß es auch nicht genau, John.«
»Wir werden das schon regeln.«
Stimmen drangen uns vom Burghof entgegen. Als wir ihn betraten, sahen wir eine Familie mit zwei Kindern, die sich sehr interessiert umschauten. Zu ihnen hatte sich ein älterer Mann gesellt, der eine helle, dünne Windjacke trug und seinen Kopf mit einer Schiebermütze vor den Sonnenstrahlen schützte. Der Mann gebärdete sich wie ein professioneller Führer, denn er brachte der Familie die Geschichte näher. Die beiden sommerlich gekleideten Erwachsenen lauschten interessiert, während die Kinder auf dem Burghof liegende Steine wegkickten und zwischendurch immer fragten, warum sie denn nicht Ritter spielen und auf die Mauern klettern durften.
»Weil es zu gefährlich ist«, erklärte ihnen die Mutter mit einer wahren Engelsgeduld.
Wir waren stehengeblieben, weil ich mir einen ersten Eindruck verschaffen wollte, aber die Stimme des Mannes mit der Schirmmütze, die flach wie ein Mini-Ufo auf seinem Kopf lag, lenkte mich ab. Er sprach laut, und sein rheinischer Dialekt war nicht zu überhören.
»Kennst du den?« fragte ich Hilde.
»Ja. Jeder kennt ihn hier. Charlie Korn, den viele Körnchen nennen, ist ein Kurgast, der schon seit Jahren herkommt.«
»Wohnt er auch in der Krone?«
»Nein, er mietet immer eine Ferienwohnung, aber er ißt fast jeden Abend im Lokal. Ein liebenswerter Mann, der sich wirklich mit der Geschichte beschäftigt hat.«
»Und dich kennt er?«
»Sicher.«
»Vielleicht könnte er uns etwas sagen.« Hilde lächelte. »Ganz sicher sogar. Nur müßtest du dafür etwas Geduld aufbringen.«
»Wir werden sehen.«
Es war kein großer Burghof. Wir standen noch innerhalb des Torbaus.
Neben uns ragte der alte Turm auf, während mein Blick auf einen Brunnen fiel, aus dem allerdings kein Wasser strömte. An der rechten Seite befand sich ein Kiosk. Eine Eisfahne wehte im Wind, und weiter oben, wo alte Treppenstufen hinauf zu den ehemaligen Wehrgängen führten, zeichneten sich die Umrisse von vier Personen ab, die aus irgendwelchen Räumen oder Nischen gekommen waren.
»Wo hast du ihn genau gesehen, Hilde?«
Sie faßte mich an der Hand. »Komm mit.« Während wir gingen, sprach sie weiter. Sie deutete auf die Südseite der Ruine. »Da vorn, wo sich der alte Bau befindet. Er hat die Zerstörung durch die Franzosen überstanden.«
»Wann war das?«
»Irgendwann nach dem Dreißigjährigen Krieg. Nagele mich bitte nicht auf Jahreszahlen fest. Wenn du die hören willst, ist Charlie Korn der richtige Mann.«
»Ich werde es mir merken.«
Neben den alten Resten, die in den Burghof hineinragten, befand sich ein leicht nach innen gebogenes Mauerstück. Auf dessen Mitte wies Hildes rechter Zeigefinger. »Da habe ich den Ritter gesehen, John. Genau dort in der Wand.«
»Zwischen den Pyramiden aus Totenschädeln?«
»So ist es.« Sie schauderte. »Du glaubst gar nicht, wie mich das Bild geschockt hat. Ich mußte sogar mit ansehen, wie dieser Schädel, dem ich gefolgt war, plötzlich in die Höhe sprang und lautlos in das Mauerwerk hineinglitt.«
Ich nickte nur. Zu sehen war natürlich nichts. Auch nicht zu spüren, als ich näher an die alte Mauer herantrat, das Sonnenlicht verließ und in den Schatten geriet.
Hildegard von Zavelsreuth war zurückgeblieben. Sie traute sich nicht in meine Nähe, was ich durchaus verstand. Ich machte mir die Mühe und tastete das Gestein ab. Es war nicht glatt. Man hatte die schweren Brocken aus irgendeinem Steinbruch hergeschafft und sie nur roh behandelt. Meine Finger strichen auch über das feuchte Moos, das zwischen den Ritzen seinen Platz gefunden hatte.
Hier also hatte Hilde das Bild gesehen. Ich überlegte, ob ich es mit einem transzendentalen Tor zu tun hatte, einem Weg in eine andere Dimension, aber so ganz war ich nicht davon überzeugt. Es konnte durchaus eine andere Erklärung geben, noch tief versunken in der Vergangenheit.
Nur ein paar Schritte entfernt entdeckte ich eine Öffnung. Sie war der Zugang in einen alten Keller. Man konnte ihn über eine Treppe erreichen, und das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Vor der Treppe blieb ich noch stehen. Mein Blick fiel in die Tiefe. Das Ende war nicht zu erkennen, weil sich
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