Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)
Dimensionen. Sie war gespannt, wie Lutz sich
entscheiden würde, und hoffte im Stillen, er halste sich den Monsterkeller nicht
auf. Gegen Mittag klopfte Chrissi an die Tür. Sie war mit Lennox auf dem Weg in
den Schlosspark. Dankbar für eine Pause, bat Norma das Mädchen für einen Augenblick
herein.
Chrissi
ließ den Blick nicht von ihrem Kind, das mit Entdeckungslust über die Fliesen krabbelte
und auf die bodenlange Jalousie zuhielt. »Stell dir vor, Norma! Benni will sich
in Zukunft um Lennox kümmern. Echt! Was bin ich happy. Ein Kind braucht seinen Vater.«
Er habe sie am Morgen ausgenüchtert und in geradezu euphorischer Stimmung angerufen
und geschworen, von jetzt an und für immer für sie und den Kleinen da zu sein.
Dein Optimismus
in allen Ehren, dachte Norma skeptisch.
Liebevoll
löste Chrissi die kleinen Fäuste ihres Sohnes von der Jalousie. »Was hast du mit
Bennis Messer gemacht, Norma?«
Hatte er
sie deswegen hergeschickt?
»Ein Springmesser
dieser Art gilt als Waffe, Chrissi. Damit hat niemand in der Öffentlichkeit zu hantieren.
Das Messer liegt im Tresor, und dort liegt es gut. Das kannst du Benni gern ausrichten.«
Chrissi
nahm Lennox hoch und setzte ihn sich auf die fülligen Hüften. »Hast du was dagegen,
wenn ich dich ab und zu besuche, Norma?«
Ihr Blick
war bittend und zugleich so zuversichtlich – Norma konnte nicht nein sagen. Irgendwie
mochte sie dieses pummelige Mädchen, das im Leben nicht das große Los gezogen hatte
und sich nicht unterkriegen lassen wollte. Kaum waren Chrissi und Lennox gegangen,
kam die nächste Unterbrechung: Ein Anruf von Lutz. Ob sie am Abend etwas vorhabe?
»Kommt drauf
an, in welches Verlies du mich locken willst.«
Lutz ließ
ein unbeschwertes Lachen hören. »Keine Sorge, ausnahmsweise geht es nicht um eine
Immobilie. Nein, ich habe überraschend Besuch bekommen. Du erinnerst dich vielleicht
an Ann-Marie?«
Bei diesem
Namen fiel ihr eine seiner Geburtstagsfeiern ein, ewig her, als Lutz noch üppige
Feste ausgerichtet hatte und sie selbst im Polizeidienst gewesen war. Da hatte es
dieses nervige, altkluge Kind gegeben, das zu viele Kinderkrimis las und ihr Löcher
in den Bauch gefragt hatte. Dienstpistole, Spurensicherung, Vernehmungstechniken.
Über jedes Detail hatte die Kleine haargenau Bescheid wissen wollen.
»Dein Patenkind
aus Hamburg? Das Moppelchen mit der Zahnspange?«
Lutz lachte
lauter. »Genau die! Ann-Marie hat ihre Freundin Sara mitgebracht. Die Mädchen sind
auf der Durchreise nach Italien. Morgen will ich ihnen den Rheingau zeigen. Heute
Abend möchten die beiden am liebsten ins Spielcasino. Allerdings bin ich mit einem
Autor verabredet. Könntest du vielleicht …?«
»… aufpassen,
damit die Gören nicht Papas Sparstrumpf verzocken, meinst du?«
»Es ist
nur für ein, zwei Stunden«, versicherte er und bot an, sie und die Mädchen anschließend
zum Essen einzuladen.
Warum eigentlich
nicht? Ihr letzter Besuch in der Spielbank lag Jahre zurück. Sie schlug vor, die
Mädchen sollten sich gegen 20 Uhr im Kurhaus einfinden. Ann-Marie wäre begeistert,
versprach Lutz. Norma habe damals einen tiefen Eindruck hinterlassen.
»Das galt
wohl weniger mir persönlich als der Kriminalkommissarin. Was machen deine Schiersteiner
Pläne?«
»Das Haus
gefällt mir. Und dieser Keller, fantastisch! Ich möchte möglichst bald einen Termin
mit dem Architekten ausmachen. Allerdings scheint Frau Medzig Angst vor der eigenen
Courage zu bekommen. Jedenfalls hat sie mich um ein paar Tage Geduld gebeten.«
»Vielleicht
steckt der Sohn hinter der Verzögerung?«, überlegte Norma. »Immerhin hat er eigene
Vorstellungen, was aus dem Weingut werden soll.«
»Und vergessen
wir nicht Frau Dr. Bennefeld, die bei der Entscheidung mitmischen will.«
»War dir
auch so, als käme sie geradewegs von einer Betriebsfeier?«
»Höflich
umschrieben, Norma! Über Frau Dr. Bennefelds Laster spricht man im Landgericht hinter
vorgehaltener Hand.«
Lutz Tann
und seine Quellen! Damit überraschte er sie jederzeit aufs Neue. »Warum bist du
kein Detektiv geworden?«
»Meine Ermittlungen
sind von purem Eigeninteresse getrieben. Wenn man wissen will, mit wem man es zu
tun hat, geht man den Bekanntenkreis durch. In diesem Fall traf es den Bruder eines
früheren Schulkameraden, der heute Richter am Landgericht Wiesbaden ist.«
»Und was
wird außerdem über die Frau Staatsanwältin getuschelt?«
»Dass man
ihr einst eine große Karriere vorausgesagt hat, zum
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