Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)
züchten?«
»Durch die
Welt reisen! Ich musste ihn kürzlich wegen eines Falls sprechen, der neu aufgenommen
werden soll, und habe ihm bis in die Karibik hinterhertelefoniert.«
»Dann hatte
ich Glück, ihn in Wiesbaden anzutreffen.«
Die Abendsonne
schickte ihre Strahlen tief ins Büro hinein.
Norma wich
in den Schatten aus. »Und Waldemar Jördens? Was weißt du über ihn?«
Wolferts
Finger huschten zum Ohr und rückten die Brille zurecht. »Der Leitende Oberstaatsanwalt
a. D.? Er ist das, was man eine auffallende Erscheinung nennt. Gönnerhafter Charakter,
lässt sich bei allen gesellschaftlichen Ereignissen blicken und ist schwer in der
Wiesbadener Fastnacht aktiv, seit er in Pension ist. Seine Frau organisiert Hochzeiten
für die bessere Gesellschaft.«
Norma staunte.
»Seit wann kümmerst du dich um bessere Hochzeitsfeiern?«
»Selbst
ein Wolfert hat Nichten. Eine davon hat in den Wiesbadener Geldadel eingeheiratet.
Eine Riesenfeier, bei der Jördens’ Ehefrau die Zügel in der Hand hielt. Meine Nichte
war sehr zufrieden. Jetzt verstehe ich, was dich an Jördens interessiert. Wohnt
er nicht auf dem ehemaligen Bennefeld-Weingut?«
»Angela
hatte den Verdacht, dass beim Kauf gekungelt wurde, um das Verfahren gegen Harry
sterben zu lassen. Jördens hat das Weingut natürlich nicht direkt von Onno Halvard
übernommen. Der zwischenzeitliche Besitzer soll ein Strohmann gewesen sein.«
Wolfert
dachte einen Augenblick nach. »Vorausgesetzt, beim Sturz der Bennefeld wurde nachgeholfen
– obwohl nichts dafür spricht, kein Zeichen einer Abwehr, wie du weißt. Nur mal
angenommen: Könnte Harry Halvard etwas damit zu tun haben?«
»Er hat
sie an dem Abend getroffen, was er nicht bestreitet. Auch Veit Lucas Wernhardt,
Schauspieler und ihr Exgeliebter, war einer der Letzten, der sie lebend gesehen
hat. Wernhardt hat sie belästigt. Möglicherweise ist er zu weit gegangen. Er bleibt
auf meiner Liste der Verdächtigen, auch wenn der Nachtportier ihm von 23:20 Uhr
bis Mitternacht ein Alibi gibt. Zu der Zeit sprach Angela in Schierstein mit Harry,
wie ein anderer Gast beobachtet hat. Wer weiß, ob Wernhardt in der Nacht nicht wieder
losgefahren ist und Angela im Hafen aufgelauert hat.«
»Und außerdem?«
»Oliver
Medzig natürlich, dem Angelas Tod sehr gelegen kommt. Sie war entschieden gegen
den Verkauf an den Hotelier und hätte niemals eingewilligt. Am Mittwochabend wurde
er allerdings nicht in Angelas Nähe gesehen.«
»Was ist
mit seinem Alibi?«
»Er war
im Haus, sagt seine Mutter. Fußball gucken. Deutschland gegen Italien.«
»Hüte dich,
das Spiel Luigi gegenüber zu erwähnen«, warnte Wolfert scherzhaft. »Für die Italiener
ging es übel aus.«
Sie wusste,
Luigi war zwar ein echter ›Wissbader Bub‹, doch sein Fußballerherz schlug unbeirrbar
für die Heimat der Eltern.
»Es gab
einen dritten Mann an Angelas Tisch.«
»Hast du
ihn identifizieren können?«, fragte Wolfert gespannt.
Sie lächelte
zuversichtlich. »Dazu habe ich eine Theorie. Ich baue darauf, dass ein Zeuge meine
Annahme bestätigt.«
Eine halbe
Stunde später erklomm sie die Stufen des Restaurants ›Zum Hafen‹. Auf Heiko Ohlsen
war Verlass. Er saß auf der Terrasse und begrüßte sie wie eine gute Bekannte. Sie
spendierte ihm ein Bier und bestellte sich selbst eine trockene Spätlese vom ›Schiersteiner
Dachsberg‹.
Heiko hob
das Glas und prostete ihr zu. »Womit habe ich das verdient, Deern?«
Sie reichte
ihm die Digitalkamera hinüber. »Mit einem Blick auf diese Bilder. Ist der dritte
Mann dabei?«
Heiko grinste.
»War gar kein schlechter Film, der ›Dritte Mann‹. So, die Fotos. Oh, die gesamte
Beerdigungsgesellschaft. Wo kann man den Zoom einstellen?«
Sie zeigte
ihm, wie er die Bildausschnitte vergrößern konnte, und genoss in kleinen Schlucken
die intensiven Aromen des Weins, der ihr zu Kopf stieg, weil sie wie so oft seit
dem Frühstück nichts gegessen hatte. Sie ließ sich die Karte geben und wählte einen
Flammkuchen.
Währenddessen
beschäftigte sich Heiko mit den Aufnahmen. »Einige der Leute kenne ich. Sind viele
Schiersteiner darunter. Der hier zum Beispiel. Oliver! Den Nachnamen weiß ich nicht.«
Er hielt
ihr das Display entgegen, auf dem ein gedrungener Mann mit Halbglatze und schweren
Augenlidern unter struppigen Brauen zu erkennen war.
»Oliver
Medzig«, sagte Norma. »War er an Angelas letztem Abend hier?«
»Nö, Deern.
Kann mich nicht erinnern, den am Mittwoch gesehen zu haben. Es gab
Weitere Kostenlose Bücher