Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
er. »Mir wird spontan schlecht bei der Vorstellung.«
Die Kantine hatte eine magische Verwandlung vollzogen: Aus dem tristen Neonlicht-zu-gelben-Plastiktischen-und-weißen-Stühlen-Einheitsbrei war eine elegante Festhalle geworden. Mit ein wenig Fantasie und zwei, drei Drinks zu viel konnte man diese aufgemotzte alte Schulkantine glatt für ein Luxusrestaurant in einem Sternehotel halten: Schwere, weiße Leinendecken waren über die Tische gebreitet, und auf jedem stand eine Vase mit einer einzelnen rosafarbenen Rose. Rosa und weiße Konfettischnipsel waren wie Kirschblüten über die Tafeln gestreut, und die Flammen Hunderter Teelichter in rosa Halterungen, die überall verteilt waren, reflektierten an den Wänden und der Decke und tauchten die Kantine in rosa glänzendes Dämmerlicht.
»Das sieht unglaublich aus!«, raunte ich Amy zu, die zum Abschlussball-Ausschuss gehörte.
»Absolut!« Sie nickte stolz.
Aus alter Gewohnheit und ein wenig Wehmut wählten wir den Tisch direkt am Ausgang, an dem wir immer zu Mittag gegessen hatten. Er war für sechs Personen gedeckt.
Ich sah mich um. Die meisten Tische waren besetzt. Die Schüler aus dem Jahrgang unter uns kellnerten – eine alte Schultradition. Wir gaben unsere Bestellungen auf: Ryan und ich wählten das einzige vegetarische Gericht auf der Karte, irgendetwas Pasta-Ähnliches. Die anderen hatten die Wahl zwischen Fisch, Hühnchen oder Rind. Ich lehnte mich zurück, beobachtete meine Freunde beim Bestellen und war wunschlos glücklich. Der Abend war einfach perfekt: Die Schulzeit und die Prüfungen lagen frisch hinter uns, ich saß mit meinen Klassenkameraden in einem rosa-weißen Traum und mit meinen besten Freunden um einen Tisch. Dem bestaussehenden Jungen des ganzen Universums direkt gegenüber. Später würde er mich hoffentlich zum Tanzen auffordern. Ich warf Ryan einen schnellen Blick zu und erntete ein dickes, freudiges Grinsen. Rasch verbot ich mir, weiter als bis heute Abend zu denken. Ich wollte dieses zufriedene, stillvergnügte Glücksgefühl genießen. Und den Rausch des Augenblicks.
»Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir heute zum letzten Mal hier sitzen!«, sagte Megan. »Im September gehen Matt und Amy nach Truro aufs College und …«
»Halt!«, unterbrach ich sie. »Keine wehmütigen Anwandlungen! Dafür haben wir später noch genug Zeit. Lasst uns einfach genießen, dass wir heute Abend alle beisammen sind!«
»So sei es!«, sagte Connor und hob feierlich sein Glas. »Also: auf das Ende unserer Schulzeit, auf die besten Freunde, die man nur haben kann, und eine vielversprechende Zukunft!«
»Ohhhhhh«, kreischte Matt mit Fistelstimme und umarmte Connor. »Du bist sooooo süß!«
Wir lachten laut und prosteten einander zu. Dann wurde auch schon die Suppe serviert. Überraschenderweise sah der erste Gang überhaupt nicht aus wie die wässrigen Grausamkeiten, die man uns täglich als Vorspeise serviert hatte. Die Brötchen waren kleine Konfekte – mit Walnuss-, Oliven- oder Tomatenstückchen.
»Warum haben die uns eigentlich fünf Jahre lang den letzten Dreck serviert, wenn sie auch so was hinbekommen?«, maulte Megan. »Ich glaub das einfach nicht!«
»Na ja, für heute hatten sie einfach ein wesentlich größeres Budget«, erklärte Amy. »Sie konnten mit dem Zehnfachen kalkulieren, was sie sonst pro Kopf zur Verfügung haben.« Sie zwinkerte. »Und außerdem musste das Menü erst den kritischen Gaumen vom Abschlussball-Ausschuss zur Prüfung vorgesetzt werden.«
»Die haben wirklich ganze Arbeit geleistet«, sagte Ryan. »Das sieht doch alles ziemlich genießbar aus!«
Amy strahlte. Sie und ihre Freunde von der Theater-AG hatten monatelang an den Vorbereitungen für heute Abend gesessen.
»Jetzt stellt sich nur noch die Frage: Wohin gehen wir nach dem Ball?«, fragte Matt in die Runde.
Die Tanzfläche war im Theatersaal, der – wie die Schulkantine auch – ganz in Rosa und Weiß geschmückt war. Statt Kerzen hatte das Abschlussball-Team hier jedoch Stroboskope und Discokugeln angebracht. Die erste Stunde spielte eine Coverband, danach war ein DJ organisiert. Amy und Matt gingen direkt auf die Tanzfläche. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Chloe Mason auf uns zugehetzt kam, und ging automatisch in Abwehrhaltung. Meine Stimmung sank unter den Nullpunkt, und ich starrte sie feindselig an. Ryan und mir blieben nur noch wenige Stunden, und ich hatte nicht die Absicht, ihn mit irgendjemandem zu teilen. Erst in letzter
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