Edens brisantes Geheimnis
hundertprozentig. Und warum sollte er auch? Gestern noch hatte sie versucht, mit seinem Wagen das Weite zu suchen. Dann hätte sie um Haaresbreite kaltblütig einen Mann erschossen. Eine verlässliche, intelligente Person handelte nicht so. „Warum hilfst du mir überhaupt? Was ist der Grund?"
„Ich muss es tun."
„Aber nicht aus dieser unbedingten Loyalität, wie du sie zu deinem Mentor hast, oder?"
„Nein, das ist es nicht. Aber ich empfinde etwas für dich."
„Wirklich?" Ein warmes Gefühl der Freude überkam sie. „Was?"
„Verantwortung. Ich möchte dich beschützen." Er zögerte, überlegte einen Moment. „Schuldgefühle sind wohl auch dabei. Vor zwölf Jahren hätte ich klüger sein müssen. Ich hätte dich aufspüren müssen."
„Und was wäre dann passiert?"
„Ich will nicht über eine Vergangenheit reden, die nie stattgefunden hat, Eden. Es hat keinen Sinn, etwas, das hätte sein können, zu bedauern oder sich den Kopf darüber zu zerbrechen."
Das genügte ihr nicht. „Damals warst du in mich verliebt."
„Das war damals."
Und jetzt? Fand er sie attraktiv, wenigstens ein bisschen? Sie drehte den Kopf und musterte ihn.
Wie würde es sein, mit ihm zu schlafen?
Ihr Liebesspiel war wild und leidenschaftlich gewesen. Bei dem Gedanken an seine erfahrenen schlanken Hände überlief sie auch heute noch ein Schauer der Erregung.
Und nun? Würde er jetzt bewusster vorgehen, ihr Verlangen langsam schüren, ihre Erregung steigern?
Eden starrte ihn an. Hohe Wangenknochen, eine gerade Nase, ein markantes Kinn prägten sein attraktives Profil. Wie würde es sein, mit der Zungenspitze die Konturen seiner Lippen nachzuzeichnen?
Er wandte den Kopf und überraschte sie mit einem Ausdruck abgrundtiefer Traurigkeit in seinen Augen.
„Hunger?" fragte er.
Wie gern hätte sie von ihrem sehnsüchtigen Verlangen erzählt. Doch die Furcht vor Zurückweisung war zu groß.
Sie musste aufpassen, dass sie ihm nicht noch einmal verfiel. Hastig riss sie den Blick von ihm los, bevor er zu viel in ihren Augen lesen konnte. Und vielleicht waren all diese sexuellen Fantasien nur das Resultat eines niedrigen Blutzuckerspiegels.
„Ich hätte nichts gegen einen kleinen Happen", untertrieb sie.
„Ich auch nicht."
„Wie weit ist es noch bis Denver?"
„Du hörst dich an wie ein ungeduldiges Kind." Er grinste. „Wie viele Meilen noch? Sind wir schon da ...?"
„ Ich jammere nicht, ich will nur wissen, wie der Plan aussieht. Du hast einen, das weiß ich."
„Heute schaffen wir es voraussichtlich bis in die Gegend von St. Louis. Dort möchte ich irgendwo Halt machen und einen neuen Wagen besorgen."
„Einen Mietwagen?"
„Könnte ein Problem werden", meinte er. „Das FBI wird ständig sämtliche Autovermietungen überprüfen. Ich habe keinen anderen Ausweis."
„Aber ich. Für alle Fälle habe ich immer einen zweiten Ausweis bei mir. Auf den Namen Susan Anthony."
„Wie Susan B. Anthony, die für das Frauenwahlrecht gekämpft hat?"
„Die erste echte Frau auf einer Dollarmünze", antwortete Eden. „Für mich ist sie ein Vorbild."
„Weil sie für die Frauenrechte eintrat? Oder weil sie auf dem Dollar zu sehen war?"
„Beides."
Der lockere Plauderton täuschte Payne nicht darüber hinweg, dass eine tief sitzende Angst die Frau neben ihm zwang, drei verschiedene Identitäten beizubehalten. Candace Verone, alias Eden Miller, alias Susan Anthony. Seit zwölf Jahren lebte sie sozusagen undercover.
An der Kreuzung zur Route 36 fuhr er rechts ab, Richtung Westen.
„Wenn dies alles vorbei ist, was für Pläne hast du danach?"
Sie beugte sich vor und starrte durch die Windschutzscheibe. „Vielleicht mache ich einen neuen Anfang als Susan Anthony. Auch wenn es mir Joshs wegen schwer fällt. Er geht gern in die Schule dort und hat eine Menge Freunde. Ein Umzug würde nicht leicht zu erklären sein."
„Und auch, dass du verschiedene Namen benutzt", meinte Payne. „Wie viel weiß dein Sohn über die Verones?"
„Wenig. Ich habe ihm erzählt, dass meine Eltern beide tot sind, was ja auch stimmt. Und erwähnt, dass er noch Großeltern, Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen hat."
„Hast du jemals den Namen Verone erwähnt?"
„Nein, nie. Ich darf das Risiko nicht eingehen, dass er irgendwann einmal in der Zeitung etwas über ihre kriminellen Machenschaften in Chicago liest. Zum Beispiel, wenn von Eddys Ermordung berichtet wird."
Auch wenn sie sich nicht selbstmitleidig anhörte, so spürte er doch ihre
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