Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
stehen und lauschte. »Da kommt jemand.«
Schnell huschten sie in den schmalen Gang. Algernon schielte nach oben zu dem Lüftungsschacht, aus dem er und Leyla gekommen waren. Das Loch befand sich oben in der Wand, und die Wand war glatt. Wie sollten sie da wieder hochkommen? Das hatte selbst die kluge Leyla nicht bedacht …
»Verstecken«, zischte Leyla. Sie und Algernon verschwanden hinter einen Schrank. Edgar schob auch Sue in die Richtung. Die getigerte Katze wirkte etwas traumverloren.
»Los, schnell zu den anderen.« Edgar folgte Sue. Gerade noch rechtzeitig.
Am Ende des Flurs war eine Tür, die jetzt geöffnet wurde. Edgar lugte unauffällig hinter dem Schrank hervor und erkannte, dass sich hinter der Tür eine Treppe befand. Professor Murphy und seine Assistentin betraten den Flur. Eleanor jammerte. Sie trug nicht ihre Schwesterntracht, sondern ein Nachthemd, über das sie einen Morgenmantel geworfen hatte.
»Ich weiß gar nicht, warum Sie mich geweckt haben, Professor! Es ist mitten in der Nacht! Ich konnte mich nicht einmal anziehen …«
»Anziehen können Sie sich später«, knurrte Professor Murphy. Er hatte seinen Lederkoffer unter den Arm geklemmt. »Ich will sehen, ob mit den Tieren alles in Ordnung ist. Ich habe vorhin ein merkwürdiges Geräusch gehört …«
»Oh, die Tiere geben doch immer merkwürdige Geräusche von sich.« Eleanor seufzte und lief hinter dem Professor her. Ihre nackten Füße steckten in etwas zu großen Filzpantoffeln.
Die beiden gingen an den Katzen vorbei, ohne diese zu bemerken.
»Die Treppe«, flüsterte Edgar den anderen zu. »Hinter der Tür geht es nach oben. Über diese Treppe müssen mich die Tierfänger hereingebracht haben. Ich konnte ja nichts sehen, ich steckte doch im Sack.«
Algernon verließ das Versteck und pirschte sich an die Tür heran. Er schätzte die Entfernung, sprang hoch und drückte mit seinem Körpergewicht die Klinke herunter. Mit einem lauten Klicken sprang die Tür auf.
»Was war das?«, hörten die Katzen den Professor fragen.
»Verdammt! Schnell weg!«, befahl Algernon.
Leyla und Edgar sausten zur Tür, die Algernon aufhielt, damit sie nicht wieder zufiel. Sue blieb zurück, also kehrte Edgar noch einmal um und schubste sie an, damit sie reagierte. Dann liefen alle vier Katzen die Treppe hinauf. Der Weg endete vor einer großen Tür.
»Abgesperrt!«, stellte Algernon fest. »So ein Mist!«
»Wir stecken in einer Sackgasse!«, meinte Leyla. »Was nun?«
Sie sahen sich nach einem Versteck um, aber der Treppenabsatz bot keinerlei Schutz. Schon näherten sich von unten Schritte.
Algernon zögerte nicht lange. »Angriff!«, rief er. »Wir müssen sie überraschen. Nur so haben wir eine Chance zu entkommen!«
Er spannte seinen Körper an, und als Professor Murphy heraufkam, sprang er ihm mit einem gewaltigen Satz ins Gesicht. Der Schwung war so stark, dass er dem Mann die goldene Brille herunterriss. Die Sehhilfe fiel auf die Stufen, und die Gläser zerbrachen.
»Aaaahhh! WAS IST DAS?«, brüllte der Professor erschrocken und fuchtelte mit seinen Armen wild um sich, um Algernon abzuwehren. Der Koffer fiel auf den Boden und sprang auf. Einige Spritzen rollten heraus. »Verdammtes Biest!«, fluchte der Wissenschaftler.
Der rote Kater hatte die Krallen ausgefahren und riss ein Loch in den weißen Kittel. Es gelang ihm auch, dem Professor ein paar Kratzer zu verpassen, bevor er wieder auf dem Boden landete.
»Schnell!«, kommandierte Leyla, die die Chance zur Flucht erkannte. Sie sprang die Stufen hinunter, Edgar und Sue folgten ihr. Unten an der Treppe stand Eleanor mit offenem Mund. »Warum sind die Katzen auf einmal frei?«, stammelte sie. »Das verstehe ich nicht. Ich habe doch alle Türen richtig geschlossen!«
»Stehen Sie nicht so rum, sondern tun Sie was!«, schrie Professor Murphy. »Ohne meine Brille kann ich nichts sehen! Helfen Sie mir gefälligst!« Er tastete sich an der Wand entlang.
Algernon versuchte, die Lage zu überblicken. »Wir benutzen Eleanor als Sprungbrett«, maunzte er den anderen zu. »Erst auf ihre Schulter und von dort aus zum Lüftungsschacht. Los!«
Er stürmte auf Eleanor zu, sprang sie an, erreichte ihre Schulter und flog von dort aus mit einem eleganten Satz zur Wandöffnung. Eleanor kreischte erschrocken, dabei hatte ihr Algernon gar nichts getan. Mit den Händen versuchte sie, ihr Gesicht zu schützen.
Leyla setzte zum Sprung an, aber sie führte ihn nicht aus. Eleanor linste zwischen den
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