Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
essen gehen, sie ist nicht vor zehn, halb elf zu Hause.« An Georgs hämischem Lächeln sah Irmi, dass er Dianas Anruf mit voller Absicht unterschlagen hatte.
Sie seufzte. »Und Christoph ist in Bremen! Ausgerechnet.«
»Kein Babysitter für den lästigen Krüppel heute abend«, sagte Georg spöttisch. »Tja, da muss die vergnügungssüchtige Ehefrau wohl zu Hause bleiben!«
»Und wenn ich dich jetzt schon ins Bett brächte?«, schlug Irmi vor.
»Um sechs Uhr nachmittags? Aber sicher, ich bin ja nur ein doofer Krüppel, mich kann man einfach ins Bett stopfen und an die Decke starren lassen! Hauptsache, Madame kann ausgehen und sich amüsieren.«
»Du weißt genau, wie viel mir der Chor bedeutet«, sagte Irmi. »Das ist der einzige Abend, an dem ich mal rauskomme. Wenn du nur ausnahmsweise mal …«
»Nein«, sagte Georg. »Ich mag ja ein Krüppel sein, aber ich habe immer noch so etwas wie Würde .«
Carola und Martin klingelten pünktlich, um sie zur Chorprobe abzuholen.
»Es geht heute nicht«, sagte Irmi bedauernd. »Ich kann Georg nicht alleine lassen. Er kann sich nun mal nicht von allein ins Bett bringen.«
»Was ist denn mit deinen Kindern?«, fragte Carola. »Können die nicht mal ausnahmsweise …?«
»Sie haben andere Termine«, sagte Irmi achselzuckend.
»Und wenn du ihn mal alleine lässt?«, schlug Martin vor. »Er könnte es sich vor dem Fernseher gemütlich machen und ausnahmsweise mal etwas später zu Bett gehen.«
Nur Irmi hörte das Schaben von Rollstuhlreifen an der Wohnzimmertür. »Das geht nicht«, sagte sie.
»Schade.« Carola wandte sich zum Gehen. »Wir entschuldigen dich bei Herrn Hagen. Und grüß Georg von uns.«
»Ich wäre wirklich gerne gekommen«, sagte Irmi.
»Ich hätte da eine gute Idee.« Martin lächelte sie an. »Ich bleibe hier bei Georg, und du gehst zur Probe.«
»Das würdest du wirklich tun?« Irmi war gerührt. Sie ignorierte das leise Klicken der Rollstuhlbremsen aus dem Wohnzimmer, so gut es ging. Georg würde sauer sein, aber das war ihr egal. »Es ist aber nicht einfach, ihn fürs Bett fertig zu machen.«
»Ich schaffe das schon«, versicherte Martin. »Geh du mal mit Carola zum Singen.«
Aus dem Wohnzimmer ertönte ein Poltern, ein leiser Aufschrei und dann ein dumpfer Aufprall.
Irmi, die schon nach ihrem Mantel gegriffen hatte, erstarrte.
»Was war das?«, fragte Martin und rannte los.
»Georg ist aus dem Rollstuhl gefallen«, sagte Irmi zu Carola, die bereits draußen auf der Treppe stand. »Ich denke, das heißt, ich bleibe doch hier.«
»O Gott«, sagte Carola alarmiert. »Soll ich Doktor Sonntag rufen?«
»Nein«, winkte Irmi ab. »Er hat sich nichts getan, da bin ich mir ganz sicher.«
»Der arme Georg«, sagte Carola. »Martin bleibt besser hier, um dir zu helfen. Und ich fahre allein zum Chor und entschuldige euch alle beide bei Herr Hagen.«
Wie Irmi es sich schon gedacht hatte, hatte Georg sich bei dem Sturz aus dem Rollstuhl nicht die geringste Verletzung zugezogen. Er sei mit einem Reifen an Irmis Bügeleisen hängen geblieben, das mitten im Weg gelegen hätte, sagte er. Bei dem Versuch, das Hindernis mit Gewalt zu überrollen, sei der Stuhl dann aus dem Gleichgewicht geraten. Irmi wusste, dass das Bügeleisen im Schrank gewesen war, wo es hingehörte. Sie war aber froh, dass Martin da war und ihr helfen konnte, den schweren Georg wieder in den Stuhl zu wuchten.
»Tut mir leid, dass Carola ohne dich gefahren ist«, sagte sie. »Du könntest ja gerne unseren Wagen nehmen, aber Christoph ist damit in Bremen.«
»Ach, so wild bin ich auch nicht aufs Singen«, sagte Martin. »Ich spiele eine Partie Schach mit Georg, dann helfe ich dir, ihn ins Bett zu bringen.« Zu Georg gewandt sagte er: »Du bist wirklich schwer wie ein Felsbrocken. Ein Wunder, dass Irmi noch nichts am Rücken hat.«
Zu Irmis Erstaunen lachte Georg nur friedfertig.
Es wurde noch ein entspannter Abend. Georg ließ Irmi eine Flasche Rotwein aus dem Keller holen, schlugMartin dreimal hintereinander im Schach und ließ sich dann zur gewohnten Zeit ungewöhnlich gut gelaunt ins Bett bringen.
Als Irmi aus seinem Schlafzimmer kam, war Martin immer noch da. Er hatte die Weingläser gespült, die sie benutzt hatten, und lächelte ihr entgegen.
»Das war toll, danke dir«, sagte sie.
»Wenn du möchtest, komme ich öfter mal wieder rüber«, sagte Martin. »Aber in letzter Zeit hatte ich immer den Eindruck, es geht dir gar nicht mehr so schlecht. Du siehst jedenfalls
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