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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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Waschmaschine geschrieben und der Nietengürtel, über den sich ihre
Mutter immer am meisten mokierte, lag locker um ihre Hüften. Ohne sie sehen zu
können, nahm sie in diesem Moment selbst ihre Frisur peinlich berührt wahr. Die
von Natur aus leicht gelockten dunkelblonden langen Haare, die am Hinterkopf schlampig
von einem einfachen Gummiband zusammengehalten wurden, waren nicht nur vom
Polster zerzaust, sondern hatten auch schon seit anderthalb Wochen kein Wasser
oder Shampoo mehr gesehen und wirkten strähnig und fettig.
    „Sorry!“, sagte sie leise mit gesenktem
Blick, doch ihre Großmutter schien überhaupt keine Notiz von ihrem Äußeren zu
nehmen. Im Gegenteil, sie strahlte über das ganze Gesicht, nahm Marie feierlich
an beiden Händen und wartete, bis diese die Lider wieder hob. „Ich glaube, ich
habe endlich mein Ölbild „ Die Verführung“ fertig gestellt. Das heißt, ich brauche noch letzte Tipps von dir, bevor ich
mich damit in die Öffentlichkeit wage. Nächste Woche soll ich meine besten
Werke zu einer Galerie in Graz bringen, wo sie für längere Zeit ausgestellt
werden, und ich hätte mein neuestes Werk gerne dabei. Wenn du
Verbesserungsvorschläge für mich hättest, würde ich diese gerne noch heute umsetzen,
damit das Bild bis Montag sicher trocken wird. Bitte komm mit mir ins Atelier.“
Die Worte sprudelten geradezu aus ihrer Oma heraus und Marie konnte ihre
Begeisterung richtiggehend spüren. Ihr Unmut war blitzartig verflogen. „He
cool, ich bin sofort bei dir! Gibst du mir noch eine Viertelstunde, damit ich
mich ein wenig frisch machen kann? Ich fühl mich ein wenig schlapp, aber eine
Dusche, eine Ladung Zahnpasta und der Sprung in den Trainingsanzug würden mich
retten.“
    „Klar, mein Schatz, ich warte dann unten auf
dich!“
    Marie war wie ausgewechselt. Mit eiligen
Schritten flitzte sie zurück in ihr Zimmer. Der Raum maß, ohne den kleinen
Waschraum mit Dusche und WC, ziemlich genau sechzehn Quadratmeter, und da nur
ein schräges Dachfenster Licht von außen einfallen lassen konnte, hatte Marie alles
effektvoll mit den Außenjalousien verdunkelt. An der Südseite des Zimmers, über
dem Jugendbett aus Kiefernholz, sorgten färbige Spots zumeist auch am Tag für schummrige
Lichtverhältnisse. Die bewusst inszenierte, beinahe unheimliche Szenerie wurde
durch mehrere skurrile Poster der Kultband „KISS“, mit ihren bemalten
Gesichtern und zumeist heraushängenden Zungen noch unterstrichen. Marie liebte
diese Band, die eigentlich nicht in ihre Generation passte, vor allem deshalb,
weil sie wusste, dass ihre Mutter die Gruppe nie gemocht hatte.
    Die Kleidungsstücke, die den blaumelierten
Teppichboden vor dem Bett bedeckten und das Chaos von Zetteln und Schulsachen auf
ihrem kleinen Schreibtisch in der Ecke störten Marie nur sehr selten. „I am bad !!!“ stand in riesigen Lettern auf der Innenseite der
Tür. Der schmale, zweiflügelige Kleiderschrank stand dem Bett schmucklos gegenüber.
Marie hatte schon so manches Mal mit Lippenstift, je nach Stimmung, sinnige Sprüche oder Zeichnungen auf das
Spiegelglas gemalt. Ihre Mama hatte das Ganze aber nicht besonders toll
gefunden und sie musste die Kunstwerke mühsam wieder abwaschen. „Logisch, die
Alte hatte noch nie Geschmack!“, brummte Marie vor sich hin, als sie nach dem
Duschen vor dem Schrank stand und an das mühsame Abwaschen der knallroten Farbe
dachte. Sie verdrängte die Gedanken an ihre Mutter rasch und schlüpfte in ihren
hellgrauen Trainingsanzug. Nun mit frisch gewaschenen, noch feuchten Haaren,
ohne Schminke und in dem hellen Sportanzug hätten sie ihre Freunde wohl nicht
wieder erkannt. Auch ihr selbst kam das Spiegelbild völlig fremd vor. Als sie
vorhin vor ihrer Großmutter stand, war sie sich vollkommen schlecht
vorgekommen. Das Gefühl von Stärke und Überlegenheit, das sie normalerweise
überkam, wenn sie ihrer nörgelnden Mutter in einem vergleichbaren Zustand gegenüberstand,
stellte sich in Gegenwart ihrer Oma nicht ein. Ihre Mutter versuchte zwar auch
ab und zu, mit netten Worten an sie heran zu kommen, aber Marie spürte, dass
die Phrasen, die sie von sich gab, nicht ehrlich gemeint waren. Nein, ihrer
Großmutter konnte ihre Erzeugerin nicht das Wasser reichen! Marie föhnte noch
kurz über ihre frisch nach Aloe Vera duftenden Haare und huschte kurz darauf
durchs Stiegenhaus .
    Sie hörte gerade noch, wie der Schlüssel im
Schloss der Haustüre herumgedreht wurde.
    „Hi Kleine!“ Ihre Mutter trat

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