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Ehrensache

Titel: Ehrensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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sondern eine Frau. Hübsche Beine. Sie trug zwei Tragetaschen mit Einkäufen. Sie ging zügig, doch
sie sah müde aus. Das konnte doch wohl nicht...? Was, zum...?
Er kurbelte sein Fenster herunter. »Hallo, Gill.«
Gill Templer blieb stehen, starrte, lächelte. »Irgendwie kam mir dieser Schrotthaufen doch
bekannt vor.«
»Pscht! Autos haben auch Gefühle.« Er tätschelte das Lenkrad. Sie stellte ihre Taschen ab.
»Was machst du hier?«
Er deutete mit dem Kopf auf Steeles Haus. »Möchte mit jemandem reden, der wahrscheinlich nicht
auftaucht.«
»Das sieht dir ähnlich.«
»Und du?«
»Ich? Ich wohne hier. Genauer gesagt in der nächsten Straße rechts. Du wusstest doch, dass ich umgezogen bin.«
Er zuckte die Schultern. »Mir war nicht klar, dass es hier in der Gegend war.«
Sie lächelte ihn wenig überzeugt an.
»Doch, ehrlich«, sagte er. »Aber wo ich schon einmal hier bin, kann ich dich ein Stück
mitnehmen?«
Sie lachte. »Das sind nur hundert Meter.«
»Wie du möchtest.«
Sie blickte auf ihre Taschen hinunter. »Na schön.«
Er öffnete ihr die Tür, sie stellte die Taschen auf den Boden und zwängte ihre Füße daneben.
Rebus startete den Wagen. Der Motor stotterte, röchelte, erstarb. Er versuchte es noch einmal mit
herausgezogenem Choke. Das Auto keuchte und schnaufte, begriff aber irgendwann, was man von ihm
wollte.
»Wie ich eben sagte, ein Schrotthaufen.«
»Nur deshalb benimmt es sich so«, erklärte Rebus.
»Launenhaft wie ein Vollblutpferd.«
Doch Kinder beim Eierlaufen hätten die Strecke vermutlich schneller zurückgelegt als sie.
Schließlich erreichten sie unversehrt das Haus. Rebus blickte aus dem Fenster.
»Hübsch«, sagte er. Es war ein Haus mit symmetrischer Vorderfront und Erkerfenstern zu beiden
Seiten der Haustür. Es hatte drei Etagen und einen kleinen, steil ansteigenden Garten, der von
Steinstufen geteilt wurde, die vom Eingangstor zur Haustür führten.
»Ich bewohne natürlich nicht das ganze Haus. Nur das Erdgeschoss.«
»Trotzdem schön.«
»Danke.« Sie stieß die Tür auf und bugsierte ihre Taschen auf den Bürgersteig. »Gemüsepfanne«,
sagte sie und deutete auf die Taschen. »Interessiert?«
Er brauchte einen endlosen Moment, um sich zu entscheiden. »Danke, Gill, aber ich hab heute Abend
schon was vor.«
Sie hatte den Anstand, ein enttäuschtes Gesicht zu machen. »Dann vielleicht ein andermal.«
»Ja«, sagte Rebus, während sie die Beifahrertür zuwarf, »vielleicht ein andermal.«
Das Auto kroch die kurze Strecke zurück. Wenn es jetzt den Geist aufgibt, dachte er, dann mache
ich kehrt und nehme ihr Angebot doch noch an. Das wäre ein Zeichen.
Aber als er Steeles Bungalow passierte, fing das Auto sogar an, sich gesünder anzuhören. In dem
Haus war immer noch kein Anzeichen von Leben, also fuhr Rebus weiter. Er stellte sich eine Waage
mit zwei Schalen vor. Auf der einen Seite saß Gill Templer, auf der anderen Dr. Patience Aitken.
Die Waagschalen bewegten sich auf und ab, während Rebus scharf nachdachte. Meine Güte, es war ja
wirklich nicht einfach. Er wünschte, er hätte noch etwas mehr Zeit, doch die Ampeln waren auf dem
größten Teil der Strecke auf seiner Seite, und so war er um halb bei Patience.
»Ich kann es nicht glauben«, sagte sie, als er in die Küche spaziert kam. »Ich kann wirklich
nicht glauben, dass du tatsächlich eine Verabredung eingehalten hast.« Sie stand neben der
Mikrowelle, in der irgendwas brutzelte. Rebus zog sie an sich und gab ihr einen feuchten Kuss auf
den Mund.
»Patience«, sagte er, »ich glaube, ich liebe dich.«
Sie trat einen Schritt von ihm zurück, um ihn besser ansehen zu können. »Und noch nicht mal ein
Tropfen Alkohol in dem Mann. Das ist ja ein Abend voller Überraschungen. Ich sollte dir wohl
gleich sagen, dass ich einen miesen Tag hatte und in mieser Stimmung bin... und deshalb gibt's
nur mickriges Hühnchen.« Sie lächelte und küsste ihn. » Ich glaube, ich liebe dich «, ahmte
sie ihn nach. »Du hättest dein Gesicht sehen sollen, als du das gesagt hast. Als wüsstest du
nicht, wie dir geschieht. Na ja, bist wohl nicht gerade der letzte heißblütige Romantiker, was,
John Rebus?«
»Dann gib mir Nachhilfeunterricht«, sagte Rebus und küsste sie wieder.
»Ich glaube«, sagte Patience, »ich glaube, wir essen dieses Hühnchen kalt.«
Am nächsten Morgen war er früh auf. Und was noch ungewöhnlicher war, er war sogar vor Patience
auf, die mit einer zufriedenen, wollüstigen Miene schlafend

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