Eidernebel
nassen Füßen eilt er in den Flur, um das Klingeln zu stoppen bevor es Anna aufwecken könnte.
»Swensen hier!«, meldet sich der Hauptkommissar, nachdem er blitzschnell das Gerät aus der Manteltasche gefingert und in der Küche die Tür hinter sich zugemacht hat.
»Heinz Püchel!«
»Heinz?«, platzt es aus Swensen heraus, bevor sich ein unterschwelliger Ärger in die Stimme mischt. »Das glaub ich jetzt nicht! Es ist gleich 6 Uhr in der Früh! Ich denk, du bist auf Fortbildung?«
»Bin ich auch!«, donnert der Polizeirat. »Sonst wäre ich heute Nacht ja wohl vor Ort gewesen. Also, was ist da los bei euch? In kurzen Stichworten bitte!«
»Woher weißt du denn überhaupt, dass hier was los ist?«, fragt Swensen genervt. »Na ja, ich kann’s mir schon denken. Jacobsen hat dich bestimmt als Ersten angerufen, stimmt’s? Typisch … vorauseilender Gehorsam!«
»Was soll der Mist, Jan! Selbstverständlich werde ich immer von allen informiert – außer von dir!«
»Du befindest dich in Frankfurt, soweit ich weiß. Meinst du nicht, dass es warten kann, bis du wieder in Husum bist?«
»Jan, ich bin der Chef. Ich bin für unseren Laden verantwortlich. Was soll ich sagen, wenn mich hier jemand darauf anspricht? Etwa, ich hab keine Ahnung? Nun, erzähl schon, was los ist. Ist Jean-Claude bereits bei euch vor Ort, oder haben sie jemand anderen aus Flensburg runtergeschickt?«
»Nein, Jean-Claude ist hier. Warum rufst du ihn denn nicht gleich persönlich an?«
»Du hast mir gerade erst gesagt, dass er da ist! Außerdem will ich nur wissen, warum ausgerechnet du zuerst am Tatort warst! Nun rede endlich, von Anfang an!«
»Also, ich war auf dem Biikebrennen in Simonsberg, als der Pastor aus Witzwort einen Anruf bekam, dass sich eine Leiche in seiner Kirche befindet. Ich stand zufällig daneben und hab es mit angehört. Dann bin ich natürlich gleich mit ihm zum Tatort gefahren. Ein Organist, der an dem Abend in der Kirche üben wollte, hat die Tote gefunden. Wir wissen noch nicht, wer sie ist, die Jugendliche hatte keine Papiere dabei. Wurde entweder erwürgt oder erstochen, die genaue Todesursache steht noch nicht fest.«
»Eine Jugendliche?«
»Ja, bestimmt noch keine 20, würde ich schätzen.«
»Und sie wurde in der Kirche ermordet? Oder wurde sie nachträglich dahin geschafft?«
»Nein, es ist direkt in der Kirche passiert. Wir haben keine Ahnung, warum die Frau sich dort aufgehalten hat und wie sie dahin gekommen ist. Der Pastor sagte mir, normalerweise ist die Kirche um diese Jahreszeit abgeschlossen. Die alten Kirchen auf Eiderstedt sind alle nur in den Sommermonaten tagsüber geöffnet. Es gibt bis jetzt auch keine Zeugen, die etwas beobachtet haben. Aber mitten in der Nacht ist das kein Wunder und außerdem waren die meisten Witzworter zur Tatzeit schon beim Biikebrennen in Simonsberg. Es würde also nichts bringen, aufs Geratewohl die Leute aus dem Bett zu klingeln. Der Doc wollte sich zwar nicht festlegen, aber die Tat könnte zwischen 17 und 20 Uhr passiert sein.«
»Ist dieser Organist außer Verdacht?«
»Nein, ist er natürlich nicht. Aber das ist alles viel zu früh, um schon was sagen zu können. Die Ermittlung hat doch grade erst begonnen, Heinz, ein wenig Geduld. In der ersten Vernehmung hat der Mann behauptet, gegen 20 Uhr an der Kirche angekommen zu sein. Hat zwei Tage zuvor den Schlüssel aus dem Pastorat geholt und sich gewundert, dass die Kirchentür nicht verschlossen war. Er hat dann Licht gemacht, ist zur Orgel hinauf und erst oben von der Empore hat er die Frau auf der vordersten Kirchenbank sitzen sehen.«
»Die saß da in der Kirchenbank?«
»So ist es. Der Kopf war nach hinten gekippt und der Hals wies Würgemale auf. Ansonsten mindestens vier Messerstiche, einer direkt ins Herz.«
»Was sagt Jean-Claude dazu?«
»Was soll er sagen? Der Täter hat keine Visitenkarte hinterlassen. Wir müssen die Spuren erst auswerten, dann sehen wir weiter.«
»Ihr habt doch bestimmt drüber gesprochen, ob es sich um einen oder mehrere Täter handelt.«
»Es gibt keine Hinweise, ob einer oder mehrere!«
»Der oder die Täter müssten beim Verlassen doch völlig blutverschmiert gewesen sein, oder?«
»Das mit Sicherheit, so wie der Tatort aussah, aber wie ich bereits sagte, gibt es keine Zeugen. Wir haben beschlossen zwei, drei Stunden zu schlafen und uns dann zu treffen, um eine SOKO einzurichten. Jean-Claude würde unser altbewährtes Team gerne wieder mit im Boot haben. Ist doch auch
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