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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Gegenargumenten verworfen und wieder neu gestellt. Er öffnet die Augen, sitzt im Dunkeln am Küchentisch und starrt durch das Fenster in die Nacht.
    Es muss ein Serientäter sein!
    Der Hauptkommissar spürt, dass selbst die gedachte Antwort ihm den Hals zuschnürt. In seine Erinnerung drängt sich der nach hinten geklappte Kopf von Andrea Goldschmidt. Ihre gebrochenen Augen springen ihn aus der Dunkelheit an, die Augen, die er seit damals nicht vergessen kann, als würden sie ihm noch immer direkt in seine Seele blicken. Abrupt springt er vom Stuhl auf, als könnte er seinen beängstigenden Gefühlen entfliehen. Sein Körper signalisiert ihm Erschöpfung. Er tastet sich in den Flur, zieht die Schuhe aus, stellt sie neben der Treppe ab und geht auf Socken hinauf. So vorsichtig er auch seine Schritte setzt, das Holz knarrt unter seinem Gewicht. Er schleicht ins Bad und zurück auf den Flur. Die Schlafzimmertür steht offen. Swensen tappt weiter ins Schwarz vor seinen Augen, entkleidet sich möglichst geräuschlos und tritt ans Bett, als die Nachtischlampe aufleuchtet.
    »Hallo, mein Schnüffelhase«, begrüßt Anna ihn, wobei es einen anrüchigen Unterton in ihrer Stimme gibt.
    Swensen verzieht den Mund zu einem Lächeln und sagt mit gedämpfter Stimme: »Hallo, Anna, entschuldige, ich wollte dich nicht aufwecken.«
    »Das macht gar nichts«, flüstert Anna und rutscht zu ihm hinüber, »ich hab sowieso auf dich gewartet.«
    Sie lässt zwei Fingern langsam den Oberschenkel von Jan hinauflaufen. Der legt ihr seine Hand in den Weg. Als die Finger versuchen demonstrativ darüber zu klettern, packt der Hauptkommissar die Finger und hält sie fest.
    »Findest du nicht, dass es schon reichlich spät ist?«, fragt er trocken.
    »Seit wann ist es denn für uns zu spät, Spaß zu haben?«, antwortet Anna betont lüstern und schlägt die Bettdecke auf, sodass ihr nackter Körper sichtbar wird.
    »Ich bin hundemüde Anna, es ist nach zwölf und ich muss morgen wieder früh raus.«
    »Was ist los mit dir?«, fragt Anna enttäuscht und zieht die Bettdecke wieder über ihren Körper. »Seit Wochen …, was sage ich …, seit Monaten läuft bei uns im Bett so gut wie gar nichts mehr. Jan, da stimmt doch etwas nicht?«
    »Was soll denn nicht stimmen, Anna? Ich bin nur müde.«
    »Das glaubst du doch selber nicht!«
    »Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst?«
    »Jan bitte, wir müssen darüber reden.«
    Der Hauptkommissar geht zu seiner Bettseite hinüber, setzt sich auf die Bettkante und verschränkt die Arme vor der nackten Brust, als wolle er sich selbst halten.
    »Ich finde, du hast schon dieselben Erwartungen wie jeder Normalbürger da draußen. Kriminalbeamte können alles, sie können alles gut und obendrein können sie auch alles ertragen. Wenn wir nicht jeden Tag reibungslos funktionieren, werden wir als Weichei tituliert.«
    »Halt stopp, Jan! Was soll denn diese plötzliche Verallgemeinerung. Ich gehöre nicht zu deinen imaginären Normalbürgern, ich bin deine Freundin. Ich hab dir nichts vorgeworfen und will auch keine Vorwürfe hören. Wie wäre es, wenn du mir einfach sagst, was mit dir los ist.«
    »Als wenn das so einfach wäre.«
    »Versuch es doch einfach!«
    »Ich denke, du kannst …«, beginnt Swensen und bricht wieder ab. »Es ist schwer, es in Worte zu packen, Anna. Ich glaube nicht, dass … dass du dir vorstellen kannst, was ich mir manchmal ansehen muss, da draußen. Das ist teilweise so fürchterlich, dass ich einfach Zeit brauche, um es irgendwo zu lassen. Mein Kopf ist im Moment voll mit geschändeten Frauen. Und wahrscheinlich ist das, was wir alle befürchtet haben, mittlerweile so gut wie eine Tatsache. Bei den drei ermordeten Frauen handelt es sich um die Tat eines Serienmörders. Und das Schlimme ist, es gibt keine Spuren und wir finden keinen Ansatzpunkt, wie wir an den Mann herankommen. Also, in … in solchen Phasen … ist mir einfach nicht nach Sex. Ich möchte einfach nur schlafen und abschalten.«
    »Das tut mir leid, Jan, das war mir so nicht klar«, sagt Anna mitfühlend, kriecht an seinen Rücken und schließt ihn in ihre Arme. »Ich bin froh, dass du mir das gesagt hast. Damit geht es mir besser.«
    »Okay, Anna, das ist jetzt aber nichts Neues. Immer wenn ich in intensiven Ermittlungen stecke, können wir weniger miteinander reden.«
    »Ich finde, diesmal war das schon anders.«
    »Weil ich nicht mehr mit dir schlafen wollte?«
    »Also, ehrlich. Das war schon ein Grund. Irgendwann

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