Eifel-Gold
wirkte sehr chaotisch, aber wenn man eine Weile hinschaute, so erkannte man Strukturen. Alles, was die sicherlich mehr als hundert Feuerwehrleute taten, machte Sinn. Die Gruppen arbeiteten schnell und präzise, und als wir das Wohnhaus erreichten, verschwand es unter einem Wasservorhang.
Der immer fröhliche Franz von der Truppe, die den Golfplatz in Schuß hielt, kam in voller Montur und einem lederbewehrten Helm vorbeigerannt und keuchte: »Wo ist denn Christian?«
»Könnt ihr das Wohnhaus retten?« fragte ich.
»Ach, Siggi, ich weiß nicht«, japste er. »Die Temperatur am Dachstuhl fühlt sich an wie meine Heizung bei dreißig Grad Kälte. Ich glaube, wir müssen räumen.«
Im gleichen Augenblick schrie eine dumpfe Männerstimme: »Wir räumen das Wohnhaus. Der Trupp Walter zwo zu mir. Der Trupp Walter zwo.« Ein anderer Mann rief: »Wir brauchen Leute zum Tragen.«
»Komm«, sagte Elsa, »wir können helfen.«
Explosionsartig sprang in Christian Dauns Wohnzimmer eine große Fensterscheibe. Jemand fluchte laut und ausgiebig.
Gesprochen wurde jetzt wenig bis auf die schrillen Schreie der Männer, die eine Leitungsfunktion hatten. Wir bildeten mit ungefähr dreißig Frauen und Männern eine weitgezogene Kette, und sehr bald reichten wir wortlos und schwitzend alles Mögliche, was ein Haus enthalten kann, weiter. Erst den Inhalt von Schränken und Schubladen, dann die Schränke und Schubladen selbst. Ganz vorne in dieser Kette, zwei Männer von mir entfernt, arbeitete Christian Daun und wollte immerzu in sein Haus rennen.
»Laß das, da drin stirbst du!« schnauzte Franz.
»Aber die Papiere!«
»Wo sind die?«
»Im Schlafzimmer in der Anrichte, oben rechts.«
»Ich hole sie«, sagte Franz mit rotem, schwitzendem Gesicht und verschwand.
»C-Rohr eins, mehr rechts halten. Oh Scheiße, der Dachstuhl. In die Mitte, ihr Knallköppe, in die Mitte!«
»Sind da noch Tiere?« fragte jemand.
»Keine Tiere«, keuchte Christian Daun. Dann ließ er mit einer endgültigen Bewegung beide Arme sinken und scherte aus der Reihe derer, die seine Habseligkeiten in Sicherheit trugen. Er weinte auf eine lautlose, wütende Art.
»Kommen Sie«, sagte Elsa, nahm ihn in den Arm und führte ihn ein paar Schritte abseits in das Dunkel neben dem seitlichen Hauseingang.
»Alles im Arsch«, klagte er, »alles kaputt.«
»Das baust du wieder auf«, versuchte ich ihn zu trösten.
»He, Chris«, sagte eine vorsichtige Stimme. Eine Frau schob sich an mir vorbei. Sie war unglaublich verdreckt, trug einen dünnen Anorak und hohe gelbe Gummistiefel. Es war Gitta.
»Du hättest eher kommen können«, flüsterte er und hörte augenblicklich auf zu weinen.
»Ich hab deine Scheißmöbel gestapelt«, sagte sie wütend. »Du hattest außerdem keinen Blick für mich. Wie immer.«
»Ja, ja«, murmelte er. »Ist ja schon gut.«
»Weg hier!« schrie Franz. »Es geht los.«
»Aber wieso?« stammelte Elsa mit aufgerissenen Augen. »Da ist doch Wasser, das ganze Wasser.«
Franz stockte im Schritt, erstarrte, wandte sich zu ihr und sagte so ruhig wie beim Frühschoppen: »Also wir spritzen das Wasser auf Dach und Wände. Wenn es runterkommt, kocht es. So ist das, Madame.«
»Aha, so ist das«, erwiderte Elsa hilflos.
Das Dach färbte sich an einer Stelle blutrot. Die Dachziegel blieben liegen, trotzdem waren da Flammen.
»Das schöne Haus«, rief Elsa.
»Das schaffen wir noch«, sagte Franz.
Gitta nahm Christian fest am Arm und schob ihn hinter das Haus. »Du kommst erst einmal zu Atem!«
»Schleppen wir weiter«, meinte Elsa.
Aus dem Schleppen wurde nichts, die Feuerwehrleute stürmten gleich zu einem halben Dutzend ins Haus. Sie schrien wild durcheinander, und ich begriff nicht, was sie vorhatten. Wenig später krachten Äxte. Da verstand ich: Sie legten den Brandherd auf dem Dachboden frei, um Wasser hinaufpumpen zu können.
»Das schaffen wir«, wiederholte Franz. Es klang wie ein Gebet.
Rodenstock kam heran. »Ist Christian Daun hier?«
»Zehn Schritte hinter uns im Schatten mit Gitta«, entgegnete Elsa.
»Vater Daun ist bei der Einsatzleitung. Blankenheim auch. Sie haben entschieden, mit Bulldozern zu arbeiten. Wenn sie die Scheune nicht plattkriegen, brennt nicht nur das Wohnhaus. Wir kriegen mehr Wind. Oben die Häuser um die alte Schule sind gefährdet.«
»Eine gute Entscheidung«, fand ich.
»Eine sehr gute.« Wort für Wort tropfte aus seinem Mund, und er wirkte arrogant.
»Was soll das?« fragte Elsa
Weitere Kostenlose Bücher